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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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wichtig. Die Erde verfügte über eine Technik, die um dreihundertachtzig Jahrhunderte des Fortschritts reicher war. Die gewichtigere Frage war: Warum hatte man das gemacht? Wollte man ihnen das Verlassen des Sonnensystems erleichtern? Das stand außer Zweifel. Aber warum? Warum wollte man, daß sie abflögen? War es möglich, daß sie sich vor Menschen aus der Vergangenheit fürchteten?
    Dieser Gedanke erschien Rost im ersten Augenblick absurd. Er verwarf ihn jedoch nicht. Er bestätigte seine Vermutungen und Befürchtungen vollends – und das bedeutete ihm sehr viel. Vor allem suchte er darin eine Antwort auf die Frage, in welchem Grad die Macht der Wesen beschränkt war, die die Erde regierten. Konnte man wirklich jene aus ihrer Lethargie erwecken, die »aufgehört hatten zu wollen«? Etwas erschütterte ihn. Er verspürte auf seinem Arm die Berührung einer Hand. Er drehte sich heftig um, bereit, mit dem unerwarteten Ankömmling zu kämpfen. Doch hinter ihm stand nur Mia.
    »Ich habe dich erschreckt«, sagte sie und entschuldigte sich.
    »Ich glaubte, daß … sie es wären!«
    Sie blickte ihn besorgt an.
    »Ist es wahr, daß du weiterfliegen willst?«
    »Ja«, bestätigte er entschlossen. »Woher weißt du das?«
    »Helia hat es mir gesagt. Du weißt doch. Sie …«
    »Ich weiß. Aber es wird vergehen. Es wird wie ein böser Traum vergehen. Sie wird wieder normal werden. Genau wie wir. Wo …«, begann er und unterbrach sich beunruhigt.
    »Sie ist nicht mitgekommen. Sie ist geblieben.«
    »Wieso? Ist sie unten geblieben? Wozu? Worauf wartet sie? Wir haben keine Zeit.«
    Er bemerkte einen beunruhigenden Ausdruck in ihren Augen.
    »Sie wartet nicht. Sie ist fortgegangen.«
    »Wohin?«
    »Dorthin …«
    Ein nervöser Krampf verzerrte das Gesicht Rosts. Er stand aufgerichtet, den Kopf nach vorn geneigt, und starrte mit Augen voller Verwunderung und Angst auf Mia.
    »Warum hast du ihr erlaubt, sich zu entfernen?«
    »Du hast kein Recht, von ihr zu verlangen …«
    »Was sagst du da?« unterbrach er sie verstört. »Es wäre ein Verbrechen, sie in diesem Zustand zurückzulassen! Komm! Gehen wir!« Er ergriff sie an der Hand.
    »Warte! Es geht darum …«
    »Nein! Man muß sie einholen, ehe sie die Grenze des Waldes überschreitet. Komm! Oder nicht!« Er änderte plötzlich seine Absicht. »Bleib da! Warte auf uns! Das wird besser sein.« Er eilte zur Tür.
    »Rost!«
    »Bewache das Schiff!«
    Er lief hinaus aus dem Steuerraum.
     
    Als er die Schleuse erreichte, war Helia schon am Waldrand angelangt.
    »Bleib stehen, Helia!« rief er, so laut er konnte, doch obwohl sie ihn hörte, verstand sie vermutlich die Worte nicht, denn sie winkte nur ein paarmal zum Abschied mit der Hand und verschwand im Gebüsch.
    Es wurde ihm klar, daß die Fahrt nach unten mit dem Kran und der Lauf querfeldein durch das Kosmodrom zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Er würde sie nicht erreichen, ehe sie die Linie der »Nebel« überschritt. Doch noch war nicht alles verloren. Er sprang in die Luftschleuse und griff nach dem Flugapparat. Das Umbinden der Gurte nahm nur Sekunden in Anspruch. Das Brausen der aus den Düsen ausströmenden Luft zerriß die Stille, die bis jetzt auf dem Kosmodrom geherrscht hatte. Der Apparat zog Rost in die Höhe; er flog in Richtung Wald. Helia erblickte er zwar nicht, doch erinnerte er sich gut, an welcher Stelle ihre dunkle Silhouette verschwunden war. Nach kurzer Zeit schon flog er über den Fichtenkronen dahin. Unten sah er deutlich die niedrigen Wacholdersträucher und die Erikabüschel. Vergeblich hielt er jedoch nach Helia Ausschau. Hatte sie schon die »Grenze« überschritten? Irgendwo in der Nähe mußte das Kraftfeld sein.
    Er stieg etwas höher, damit er ein ausgedehnteres Waldstück überblicken konnte, zog in der Luft Kreise und entfernte und näherte sich so dem Rand des Landeplatzes. Plötzlich schien es ihm, als sähe er in einigen Metern Entfernung im Gebüsch eine dunkle Menschengestalt. Er flog in diese Richtung, aber an dieser Stelle war der Wald noch dichter, und die Fichtenkronen versperrten ihm die Sicht. Er ging in Tiefflug über. Er machte einen fast reflexartigen Versuch, das Dickicht zu überspringen, bis ihm klar wurde, was los war, und ihn unerwartet eine milchige Wolke umgab. Ein blendender Blitz, und eine mächtige Kraft schleuderte den Körper Rosts in die Tiefe, dann wieder in die Höhe, dann drückte sie ihn neuerlich nach unten. Er stieß mit den Füßen gegen etwas

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