L wie Liquidator
einer anderen Welt eingefunden. Sie ist verschieden von allem, woran du gewöhnt bist. Dich packt der Zorn, weil du die hier auftretenden Erscheinungen nicht verstehst. Zorn, vermischt mit Angst! Und du fabrizierst böse Geister.«
»Aber ich will doch nur wissen!«
»Glaubst du, daß ich nicht wissen will? Oder Mia? Sie schweigt und schaut. Denn was bleibt uns anderes übrig. Wir können nur die Hoffnung hegen, daß wir stufenweise wenigstens ein Teilchen von dem Gesehenen und Erfahrungen begreifen.«
»Aber das sind Erscheinungen, die nicht real auftreten können! Sie widersprechen der Logik. Nicht nur dem Zeugnis der Sinne. Die Welt ist doch eine objektive Erscheinung. Raum und Zeit …«
»Nicht so hastig«, unterbrach sie ihn ruhig. »Stell dir einen Höhlenmenschen vor, der plötzlich vor dem Telephon, dem Radio und dem Fernsehen steht oder auch vor einem Schnellzug. Wir sind solche Höhlenmenschen.«
»Aber …«
»Und du verlangst von mir, daß ich dir erkläre, auf welche Weise ich die fernen Gegenstände sehe, obwohl meine Augen geschlossen sind. Ich sehe sie besser und näher, als mit eigenen Augen. Oder, daß ich dir sagen soll, daß wir anscheinend das vom Landeplatz zwei oder drei Kilometer entfernte Gebäude nicht verlassen haben, und sich unser Schiff inzwischen hinter dieser Wand befindet!« Und sie deutete mit der Hand.
»Hinter dieser Wand?« wiederholte Mia. »Also ist es schon soweit?«
»Ja.«
Helia ergriff die beiden an der Hand, wie eine Mutter ihre Kinder, und führte sie zur Wand, wo die großen gelben und roten Dreiecke in den vibrierenden Armen der Spirale verschwanden. Für einen Augenblick wurden sie vom Nebel erfaßt und plötzlich befanden sie sich – im Wald.
Hoch über ihren Köpfen ragten die mächtigen Kronen der Fichten auf. Unter ihren Füßen spürten sie einen sandigen Erdboden, der mit Gras und seltenen Erikablumen bestanden war.
Mia trat an den nächsten Stamm heran und berührte die dicke rauhe Rinde mit den Fingern.
»Kommt!« forderte sie Helia auf.
Dreißig Meter weiter vorn zeigte sich hinter Gebüsch eine Lichtung. Ein großer ovaler Platz, der auf allen Seiten von Wald umgeben war. In der Mitte stand auf einer konkaven Platte ihr Schiff. Rost blieb am Waldrand stehen. Längere Zeit blickte er in stummer Bewunderung auf den in der Sonne glänzenden Rumpf der Rakete, als sähe er ihn zum ersten Mal. Plötzlich, wie unter dem Drang eines inneren Antriebs, stürzte er los und begann zum Schiff zu laufen. Er durchlief die einige hundert Meter lange Distanz, ohne langsamer zu werden oder sich umzusehen. Außer Atem und verschwitzt langte er an dem riesigen Fuß eines der drei Amortisatoren der »Helios« an und drückte Stirn und Hände an die kalte Metallfläche. Die in den letzten Stunden angewachsene nervöse Spannung verließ ihn. Irgendwo, an der Grenze des Bewußtseins, lauerte noch die Unruhe – aber das überwältigende Gefühl, das ihn erfaßte, war die Freude. Er hatte also tatsächlich das Schiff wiedergefunden! Das konnte kein Traum und keine Halluzination sein. Er bemühte sich, tief und unerschüttert zu glauben. Es war also noch nicht alles verloren. Sie konnten diese fremde und unverständliche Erde verlassen. Die sie mit dem Reichtum und der Macht der Gewalt erschütternde Erde, die bewußt oder unbewußt nach Fesselung der menschlichen Seele trachtete. Er würde das aber nicht zulassen. Er würde frei und unabhängig bleiben. Selbst wenn er von hier für immer weggehen und nach einer gastfreundlicheren Erde, die um andere Sonnen kreiste, suchen mußte. Er hob den Kopf und schaute auf das wie ein mehrstöckiges Gebäude aus Metall und Plastik schwebende interstellare Schiff in die Höhe. Die Luke der Eingangskuppel stand offen. Der ausgeschwenkte Arm des Krans reichte mit der Transportplattform bis zum Boden.
Eine unbändige Lust überkam ihn, wieder schnellstens das Innere des Schiffes zu betreten. Er erhob sich und trat zur Plattform des Krans. Nur einen kurzen Augenblick, nachdem er den Knopf gedrückt hatte und der mit dem Signal erwachte Arm zu zittern und die Plattform in die Höhe zu ziehen begann, verspürte er einen kurzen, heftigen Anfall von Unruhe. Doch die Maschine arbeitete einwandfrei, und nichts wies darauf hin, daß jemand oder etwas Rost bei der Verwirklichung des gefaßten Entschlusses stören würde.
Ringsum herrschte Stille. Das wurde ihm erst jetzt bewußt, als der Kranarm eine halbe Drehung machte und weiter zur
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