L wie Liquidator
ein Teil der Wahrheit zu finden gewesen wäre – aber das Bild der Erde erinnerte nach ihren Worten an ein bizarr verflochtenes Truggebilde, in dem man vergeblich nach einer konkreten realen Wirklichkeit gesucht hätte. Obwohl er sich bei seiner Lust zur Kritik um Vorsicht und Mäßigung ebenso wie um Objektivität und Einsicht bemühte, konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, daß das Gehörte die Schöpfung eines kranken, ja noch schlimmer, eines ferngelenkten Gehirns war.
Hatte Mia das gleiche empfunden? Wieder packte ihn der Zorn auf sie. Warum starrte sie Helia so an? Glaubte sie ihren Worten?
»Mia!«
Sie wandte ihm verblüfft den Kopf zu.
»Was gibt es denn?«
»Wovor hast du Angst?« fügte Helia hinzu. In ihrer Stimme schwang Ironie mit.
»Du sprichst … du sprichst – sprichst«, stotterte er. »Und die Zeit vergeht!« schloß er und schnappte nervös nach Luft.
»Du wolltest es selbst«, erwiderte sie lakonisch und verstummte.
»Laß das sein! Sag mir lieber, ob du uns zum Schiff führen kannst!« Sie bewegte sich unruhig.
»Ich versuche es.«
Wieder kamen sie in einen Saal, der einem Atrium ähnelte. Obwohl Rost im ersten Augenblick hätte schwören mögen, daß sie auf dem gleichen Weg zurückkehrten, war das ein anderer Raum als der, in dem er erwacht war. Es befand sich keine Liege darin, dafür wuchsen an einigen Stellen Wesen aus dem Boden, die Blumen mit großen auseinandergefalteten Blüten glichen. Auch die Wände wirkten irgendwie niedriger. Vor allem waren sie in einige Ring-Segmente geteilt, mit sich schnell verändernden Flecken und geometrischen Linien.
»Wollt ihr es überprüfen?« fragte Helia plötzlich und blieb in der Mitte des Saales stehen. »Es genügt, eine einfache Rechenoperation durchzuführen. Sagen wir dividieren oder multiplizieren. Gleich werdet ihr die Veränderung bemerken.«
»Nein!« widersetzte er sich heftig. »Entfernen wir uns von hier. Schneller! Und ich rate euch: Denkt so wenig wie möglich nach. Am besten nur darüber, wie wir hier hinauskommen können.« Helia lächelte blaß.
»Wie du willst«, sagte sie ohne Überzeugung. »Aber ich weiß nicht, ob …«
»Du meinst, daß es keinen Sinn hat? Und ich glaube, daß es sehr wohl einen Sinn hat! Auch wenn … Was bleibt uns denn sonst übrig?«
»Rost hat wohl recht.« Mia nickte zustimmend. »Gehen wir!« Wieder schritten sie durch die Wand. Der Korridor war hier irgendwie länger und stieg an. Dahinter – ein Saal, der dem früheren etwas ähnelte, und ein neuer Korridor, der ebenfalls anstieg.
»Bist du sicher, daß wir uns auf dem richtigen Weg befinden?«
»Ich denke schon«, sagte sie mit leisem Lächeln.
»Wir kommen doch immer höher! Wenn es wahr ist, daß sich das Schiff in der Spitze befindet, die du uns gezeigt hast, dann müssen wir wohl zuerst aus diesem Gebäude herauskommen, also hinuntersteigen.«
»Ich kenne keinen anderen Weg.«
»Woher weißt du, daß er gerade so verläuft?«
Sie lächelte wieder.
»Es ist nicht mehr weit«, erwiderte sie, ohne auf seine Frage einzugehen.
»Was? Du sagst mir nicht, daß …«
»Sei nicht nervös. Ich sage die Wahrheit. Gleich werden wir an Ort und Stelle sein.«
Er blickte auf die Uhr.
»Das ist unmöglich! Damals habe ich es selbst von oben gesehen. Die Spitze war von uns mindestens zwei Kilometer entfernt. Wir sind erst acht Minuten unterwegs. Wir haben noch nicht einmal das Gebäude verlassen.«
»Ich habe dir schon gesagt, daß man die Entfernung nicht in Schritten messen kann!«
»Woher willst du wissen, daß wir den richtigen Weg gehen?« fragte Mia.
»Ich sehe es.«
»Wie ist das möglich?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete sie aufrichtig.
Das war Rost zu viel. Er eilte zu Helia, ergriff sie an den Armen und schüttelte sie: »Hör zu! Wach auf! Reiß dich zusammen! Bist du dir wirklich nicht darüber im klaren, was mit dir los ist? Es ist doch schrecklich! Du benimmst dich wie unter Hypnose. Wach auf!«
Sie löste sich sachte, aber bestimmt aus seinen Händen.
»Du benimmst dich wie ein … Wilder.«
»Wie ein Wilder?« Das verstörte ihn ein wenig. »Ich entschuldige mich, aber …«
»Wenn ich ehrlich sein soll, ist diese Bezeichnung am treffendsten.«
»Vielleicht habe ich mich etwas zu heftig benommen … Ich entschuldige mich wirklich bei dir.«
Sie lächelte wieder.
»Aber … Du verstehst nicht, wovon ich rede. Es geht mir nicht darum! Das heißt – es geht mir nicht um mich! Du hast dich in
Weitere Kostenlose Bücher