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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Eingangskuppel in die Höhe kletterte. Aus der Erinnerung rief er ein Bild hervor: ein Wald voller Düfte und Klänge, leises Rauschen der Bäume und Vogelgezwitscher. Er war sich allerdings nicht sicher, ob es die Erinnerung an die Zeit vor wenigen Minuten oder an das vergangene, vor Jahrtausenden verflossene Leben war. Er fühlte im Gesicht, wie sanft der Wind wehte, doch schienen sich die fernen Kronen der Fichten nicht zu bewegen.
    Je höher die Plattform emporstieg, desto weiter wurde der Blick auf die Landschaft unter ihm. Vergebens versuchte er jedoch die Wände des Gebäudes auszumachen, wo sich jenes Kosmodrom befinden sollte. Alles deutete vielmehr darauf hin, daß er sich am Gipfel eines ausgedehnten Hügels mit Fichtenwald befand, und daß erst irgendwo in der Ferne, hinter weiteren Hügeln, jene bizarren, nadelähnlichen fensterlosen Hochhäuser emportauchten.
    Die Plattform erreichte die Kuppel und kam zum Stillstand. Rost blickte noch einmal hinunter, wo sich auf der sonnenüberfluteten großen Startplatte zwei winzige menschliche Silhouetten schwarz abzeichneten: Helia und Mia gingen langsam auf das Schiff zu.
    Eigentlich hätte er unten auf sie warten sollen. Er konnte sich nicht erklären, warum er anders gehandelt hatte. Aber war das wirklich so wichtig?
    Er brachte den Plattformhebel in die Stellung »Planetenoberfläche« und sprang über die Schwelle der Schleuse. Schon wollte er das Innere des Raumschiffs betreten, als eine dünne Staubschicht auf dem Fußboden der Schleusenkammer seine Aufmerksamkeit erregte. Darauf zeichneten sich deutlich die Spuren seiner Schuhe ab und darunter – etwas wie der Umriß bloßer menschlicher Füße. Er schaute sich die Spuren genau an. Die Fersen mußten klein, die Füße breit und mit sehr kurzen Zehen versehen sein. Wer war der geheimnisvolle Gast? War das eines dieser Menschenwesen, die Helia erwähnt hatte? Es schien unmöglich, daß die unter Treibhausbedingungen vegetierenden, zurückgebliebenen Wesen den Kran hatten in Gang setzen können.
    Wann war der Besuch erfolgt? Sicher schon vor einigen Stunden, denn eine neue dünne Staubschicht bedeckte die Spuren.
    Doch die Spuren zeugten nur davon, daß das Menschenwesen aus der Schleuse auf die Plattform des Kranes hinausgegangen war. Ins Schiffsinnere mußte es schon früher gelangt sein. Vielleicht in der Nacht, als ihn Helia verlassen hatte. Er stellte sich einen Wilden vor, der die Kabine plünderte. Vielleicht war der Steuerungsmechanismus beschädigt worden?
    Voller Unruhe betrat er das Schiff. Korridor und Kabinen zeigten allerdings keine Spuren eines Besuchs. Seit dem Augenblick, da er das Schiff verlassen hatte, hatte sich hier nichts geändert. Aber Rost traute dem ersten Eindruck nicht. Er ging von Kabine zu Kabine, überprüfte sorgfältig alles an Bord, vom Steuerraum bis zu den Werkstätten und Lagerräumen. Vergebens. Das geheimnisvolle Wesen hatte keine Spuren seiner Anwesenheit hinterlassen – außer dem Abdruck barfüßiger Fußsohlen auf dem verstaubten Boden der Luftschleuse.
    Er kehrte in den Steuerraum zurück. Wenn der Plan gelingen sollte, mußte er schleunigst mit seiner Verwirklichung beginnen. Er schaltete das zentrale Rechenzentrum ein und begann die Aufgabe vorzubereiten. Es kam nur einer der Monde von Jupiter oder Saturn in Frage. Wenn sie alle schon zur Gänze bewirtschaftet wurden, mußte man die Vorräte irgendwo weiter draußen ergänzen. Uranus, Neptun. Es war zweifelhaft, ob sich die Herrschaft der irdischen Zivilisation bis dorthin erstreckte. Und ohne Auffüllung der Vorräte konnte keine Rede von einem Weiterflug sein. Der Vorrat an Antriebsmaterie reichte kaum für einige größere Manöver innerhalb des Sonnensystems.
    Er trat an die Steuer- und Kontrolltafel des fünften Arbeitszentrums und blickte auf die Meßuhr, die die Materievorräte im Hauptbehälter anzeigte. Im ersten Augenblick glaubte er, seinen Augen nicht trauen zu dürfen, doch es war keine Illusion. Er überprüfte auch noch die Anzeigen der Reservebehälter. Dasselbe. Er verfügte über einen vollen Vorrat an Materie! War es möglich, daß die Behälter in zwei Tagen hatten aufgefüllt werden können, ohne daß der Standort des Schiffes verändert worden war? Unter den besten Bedingungen, bei voller energetischer Belastung, nahm das acht Tage in Anspruch. Schneller konnten die Atome nicht aufgefüllt werden. Doch die Art und Weise, wie man die Vorräte ergänzt hatte, war in Wahrheit nicht so

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