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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ein schwerer Schlag.«
    Doch nicht unerträglich. Noch nicht.
    Da, wo sein Elternhaus gewesen war, stand eine Taverne. In der Tür lungerte ein betrunkener Matrose.
    Er sang. Er sang sehr laut. Ein Passant grinste ihm zu und grölte zwei Zeilen mit.
    Das mußte ein populäres Lied sein, ein Lied, das alle kannten.
    Onno konnte die Worte nicht verstehen. Dieser Dialekt hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Rotterdamer Platt.
    Und das, das war unerträglich.

 
3
     
    Die Herren schauten auf, einige etwas erschrocken. Die meisten jedoch fühlten sich nur gestört. Herren waren es zweifellos, obwohl die Anzüge von einigen eine Reinigung hätten vertragen können. Ihre Perücken waren makellos weiß.
    Onno de Feyter nickte ihnen zu. »Vielleicht haben Sie von mir gehört. Mein Name ist George Washington.«

 
4
     
    So viele Lichter! Zwei Schleppboote zogen eine Bohrinsel tiefer in die Fahrrinne. Metallkäfer strömten in einem stetigen Strom über die Brücken, mit funkelnden Buglampen, die die ganze Nacht über brennen konnten, ohne daß man auch nur ein einziges Mal hätte Kohlen nachlegen müssen.
    Er lehnte sich über die Balustrade: Der abgeblätterte Kunststoff schnitt ihm in die Rippen. Das Material war etwas fettig, weil unzählige Finger es angefaßt hatten. Noch so hoch über der Stadt roch es nach schlecht verbranntem Benzin.
    Dies war echt. Diese schmuddelige Realität, lärmend und unvollkommen. Er leckte sich über die Lippen, gedankenlos glücklich. Erst als eine Brise über seine Wangen strich, merkte er, daß sie feucht waren.
    Hinter ihm ertönten schwere Schritte, aber sie waren nicht so schwer wie die eines Mannes.
    Als sie zu sprechen anfing, erkannte er ihre Stimme.
    Doch ihn würde sie nicht erkennen. Die Heiler arbeiteten sehr gründlich!
    Ihre Hand lag federleicht auf seiner Schulter.
    »Es hat eine gewisse Schönheit«, sagte sie. »Aber warum? Der Preis ist so hoch.«
    Er legte seine Hand auf die ihre und drückte sie leicht. »Ich habe versucht, nach Hause zu kommen. Aber das kannst du nicht verstehen.«
    »Vielleicht doch«, antwortete sie leise.
    Einen Augenblick später hörte er das Starten ihrer Zeitmaschine.
    Ein Mann steht auf einem hochgelegenen Platz, wo die Winde frei wehen. Ein Mann, seine Stadt und seine Welt.
    Niemand sieht die Veränderung, auch der Mann selbst nicht, aber plötzlich gibt es den Mann und die Stadt nicht mehr, nur noch das, was dort zu sein hat, und der Fluß, der Zeit heißt, strömt zwischen hohen, geraden Mauern, und nirgendwo, nirgendwo blühen giftige Blumen.
     
    Originaltitel: »Het uitzicht vanaf hoge platsen«
    Copyright © 1985 by A.W. Bruna & Zoon
    (aus »Ganymedes 9«)
    Aus dem Niederländischen übersetzt von Hildegard Höhr

 
Lucius Shepard
Challenger – von der Westernbrook Bar aus
     
    Ich war in dieser Bar – keine von den besseren, eher ’ne Kneipe, wo man dich fragt, willste ’n Glas zu dei’m Bier.
    Selbst das schummrige Licht hatte irgendwie was Schäbiges,
    und die Frau hinter der Theke, eine abgeschlaffte Blondine, die Titten schwappten ihr in der Bluse, schaltete den Fernseher ein für den Shuttle-Start,
    als die Challenger gerade abhob, getragen von Glorie und Feuer und den Hochrufen der Zuschauer.
    Der alte Knabe, so in den Sechzigern, Charlie mit Namen, sein Gesicht
    gefurcht und zernarbt von den vielen billigen Schnäpsen,
    mit dem Ausdruck gutmütig-sarkastischer Bitterkeit von vielen herben Enttäuschungen,
    sagte: »Dieser gottverdammte Reagan mit seinen gottverdammten Raketen!
    Was hab ich von den beschiss’nen Raketen. Ein Stück Brot aufm Tisch will ich. Doch dieser Hurensohn
    kümmert sich einen Dreck um uns Arbeiter!«
    Die meisten waren derselben Meinung, und ein Puertoricaner aus dem Delikatessen nebenan,
    der eins auf die schnelle kippte, bevor er zur Arbeit ging,
    sagte, daß Charlie klüger sei, als er aussehe,
    worüber ein paar lachten.
     
    Das Shuttle ging in Schräglage, sah fast zerbrechlich aus,
    wie eine weiße Lady, die, bewacht von zwei Schlössern, ein rostfarbener Riese umkrallt,
    in blaue Tiefen tauchend, ein Blau, nach dem selbst Gott sich sehnen würde.
    Und die coole Stimme von der Startkontrolle leiert Flugmeßdaten, Telemetrie.
    Ich wandte mich wieder meinem Bier zu, an solche Wunder gewöhnt, und fragte mich, ob ich mir ein weiteres leisten sollte.
    Da sagte Charlie: »He! He! Das Scheißding fliegt ja auseinander!«
    Wir guckten alle in den Fernseher, sahen den Feuerball, die beiden weißen

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