L wie Liquidator
er bereits war, was mir nur recht sein konnte. Wenn er nicht mitbekam, wie betrunken er bereits war, würde er auch nicht mitbekommen, wie nüchtern ich noch war.
Als er – meiner Meinung nach – den Sättigungsgrad erreicht hatte, schlug er vor, daß wir uns etwas zu Essen holen sollten. Ich mußte ihm beim Aufstehen helfen, ohne daß es zu sehr nach Hilfe aussah, und während ich ihm in die Jacke half, tanzten wir ein wenig Tango. Er war froh darüber, daß ich ihn zwischen den Tischen hindurch führte und stützte sich mit einer Hand auf meine Schulter.
Einige Leute machten Anstalten, ihn anzusprechen, doch ich setzte meinen Weg unbeirrt fort, so daß er gezwungen war, mir zu folgen, wenn er nicht hinfallen wollte. An der Eingangstür mußten wir stehenbleiben, um eine Gesellschaft durchzulassen, die ihre Attituden woanders justiert hatte und nun hereinspazierte, um die neu gewonnenen Ansichten an den überzeugten Trinkern im Innern des Lokales zu erproben. Ich drängte so schnell nach draußen, daß Currin überhaupt keine Möglichkeit hatte, einen von ihnen zu erkennen.
»Wau!« Er schwankte etwas, als die kalte Luft ihn traf. »Habe von einem Augenöffner geredet!« Er schaute auf mich hinunter, zog mich fest in seine Arme und hüllte mich in seine offene Jacke ein. »Du mußt zu Eis gefroren sein.«
Wir blieben einige Minuten aneinandergeschmiegt stehen, und in mir machte sich ein leichtes Bedauern breit über das, was passieren würde. Currin war im Grunde seines Herzens kein übler Bursche. Bringen wir’s hinter uns, dachte ich bei mir, und schälte mich aus der Umarmung.
»Es ist besser, wenn ich fahre«, sagte ich und führte ihn den Bürgersteig hinunter. »Mein Auto steht gleich da an der Ecke.«
»Deiner?« Er trat ein paar Schritte zurück, um die klaren, windschlüpfrigen Linien des ElectraChargers zu bewundern. Ich erinnerte mich daran, daß sein Wagen eine Menge Strom fraß. Ich öffnete die Beifahrertür und hielt sie ihm auf. Er strömte gewissermaßen über den Vordersitz. »Hab’ mir immer einen ElectraCharger gewünscht«, murmelte er neidisch. Ich verstaute seine Beine und lief um den Wagen herum zum Fahrersitz. Trotz der wärmenden Felle auf dem Sitz fror ich.
»He«, sagte Currin und legte mir die Hand auf den Arm, als ich den Draht in die Zündung steckte. Ich drehte mich zu ihm um und sah nur einen struppigen braunen Bart. Es gelang mir, den Arm freizubekommen. Ich tastete nach meiner Handtasche, ohne daß er etwas merkte. »Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals mit jemandem soviel Spaß gehabt zu haben, den ich gerade kennenlernte«, brabbelte er nach einiger Zeit.
»Ich auch nicht.« Ich legte ihm den rechten Arm um die Schultern und spielte mit seinem Haar. »Und weißt du was?« fragte ich ihn, während ich meinen Kopf ein wenig zurückbog.
»Was?«
Es blieb ihm nicht einmal die Zeit, überrascht zu sein. Noch während er die Augenbrauen hob, fiel er nach vorn und drückte mich gegen die Tür.
Ich versuchte, ihn mit der linken Hand zurückzuhalten, während ich mir die rechte frei hielt. Ich hatte weder Lust, ihm noch einen Schlag mit dem Joybuzzer zu verpassen, noch wollte ich mich selbst abknallen. In meinen Fingern kribbelte es schmerzhaft. Egal, wie gut man diese Dinger isoliert, man kriegt immer etwas ab. Ich drehte mich und wand mich, doch ohne Erfolg; ich rang mit ihm und verfluchte dabei die schmalen Vordersitze der ElectraCharger. Dann sah ich durch die Windschutzscheibe, wie sich zwei riesige Schatten dem Wagen näherten – es waren die Kerle, deren Plätze wir eingenommen hatten; genau dieselben Kerle, die mich ganz zu Anfang so angestarrt hatten. Einer von ihnen kam an meine Wagenseite und öffnete die Tür. Ich fiel nach hinten. Und da hing ich, während mein Haar über den Bürgersteig schleifte. Der Kerl hatte sich über mir postiert und konnte sich kaum das Lachen verbeißen.
»Wird auch Zeit«, herrschte ich ihn an, während er mir aufhalf. »Könnt ihr ihn von hier wegschaffen? Paßt auf, ich habe immer noch den Buzzer in der Hand!«
Currin schlief friedlich, als wir ihn in einen Lieferwagen luden, und er schlief noch immer, als Coll und Phinny ihn auf dem Friedhof ausluden. Wir hatten ihm übrigens Hände und Füße in Handschellen gelegt; nicht so eng, daß sie ihn verletzen konnten, aber eng genug, daß er sich nicht viel bewegen konnte, wenn er erwachte.
Sie wollten ihn genau auf das Grab legen, aber ich war mir da nicht so ganz sicher.
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