L wie Liquidator
schwachen Geräusch über ihm zusammenbrach. Currin war wieder frei, aus seiner gebrochenen Nase floß Blut. Ich zerrte ihn auf den Rasen und drehte ihn auf die Seite, damit das Blut nicht in die Luftröhre drang. Coll und Phinny kamen im Eilschritt vom Wagen zum Grab gelaufen.
»Was, zur Hölle, ist damit los?« Ich verlangte eine Erklärung. »Wir hatten ausgemacht, daß es ihn mit seinen verwesten, grabesfrischen Lippen küssen und an seinen todeskalten Busen drücken sollte. Das war eine eindeutige Abmachung.«
Coll und Phinny zogen das Ding vollends aus dem Dreck und untersuchten es beim Licht einer Taschenlampe. »Dreck im Getriebe«, sagte Coll. »Im gesamten Stromkreis, überall.«
»Na, das ist ja wunderbar!« Ich lehnte mich gegen den Grabstein. »Ich mußte den Manager von Sartaines Department Store bestechen, damit er es mir aus seinem Display lieh. Morgen abend soll ich es wieder zurückbringen; und sollte irgend etwas daran kaputt sein, muß ich fünf Riesen blechen.«
Coll schaute hoch. »So viel?«
»Es ist ein Gerät zur Verhinderung von Ladendiebstählen und dazu noch eine bewegliche Display-Einheit.«
»Dann ist es wohl besser, wenn Sie ihm gegenüber nichts davon verlauten lassen, daß Sie es eingegraben haben.« Coll gluckste. »Es hat keinen dauerhaften Schaden erlitten. Mit etwas Druckluft vorsichtig den Dreck weggeblasen, und es ist wieder so gut wie neu.« Er hob es auf, schlang es sich über die Schultern und ging damit zurück zum Lieferwagen. Phinny und ich warfen die Erde wieder ins Grab zurück und fummelten so lange daran herum, bis es wieder normal aussah.
»Davon krieg ich bestimmt Alpträume«, jammerte Phinny.
»Hilf mir lieber dabei, die Tafel von diesem Grabstein abzukriegen und denk nicht mehr daran!« Wir zerrten gemeinsam daran, bis die falsche Fassade abging, die wir daran angebracht hatten.
»Du hast leicht reden. Ist ja auch nicht das Grab deiner Großmutter.«
»Nein – und es wird auch nicht mehr lange das ihre sein. Nach dem Frühlingstauwetter beansprucht die Stadt dieses Land für sich, und alle Toten werden eingeäschert. Das heißt, das, was von ihnen übrig geblieben ist.« Ich schlug Phinny mitfühlend auf die Schulter. »Aber wir werden für sie ein paar Monate der ihr zustehenden Ewigen Ruhe fordern.«
»Wie können ein paar Monate ewig sein?«
»Sei nicht spitzfindig, Phinny! Ich wäre liebend gern weit weg von hier. Grabschändung ist immer noch illegal, obwohl es den Friedhöfen wie den Dronten ergeht.« Ich kontrollierte Currins Atmung. Das Blut auf seinem Gesicht war zu Eis gefroren. Er würde zwar wieder okay werden, aber seine Alpträume würden schlimmer als die von Phinny sein.
Vielleicht begriff er, was mit ihm geschehen war, aber das würde ihm nicht sehr gut tun. Er könnte niemandem außer Karen dafür die Schuld geben, und Karen war tot … Er würde niemals etwas von ihrem Letzten Willen erfahren.
Ich entfernte die Handschellen von Händen und Füßen und rieb sie leicht, damit die Druckstellen verschwänden.
»Ich habe die Kamera«, rief Phinny mir zu. »Wenn du so begierig darauf bist, von hier fort zu kommen, dann beeil dich!«
Ich beäugte die Minicam in seiner Hand skeptisch, während wir den Hügel hoch zum Wagen stapften. Ich hatte noch nie zuvor mit einer so winzigen Videokamera gearbeitet und befürchtete jetzt, die Bilder könnten unscharf geworden sein. Doch als ich auf dem Nachhauseweg das Band einmal durchlaufen ließ, war ich angenehm überrascht. Das Bild war so klar wie alles, was ich gewöhnt war. Phinny hatte die Kamera auf dem Grabstein neben dem Grab seiner Großmutter befestigt, und sie hatte jede Einzelheit aufgenommen, von den herumfliegenden Erdklumpen bis zum Blut auf Currins Gesicht. Daran müßte man noch etwas tun. Karens Testamentvollstrecker wäre es wahrscheinlich egal, aber für meine Begriffe sah es reichlich rührselig aus.
Nachdem wir etliche Häuserblocks zwischen uns und den Friedhof gebracht hatten, ließ ich Phinny einen anonymen Anruf bei der Polizei tätigen, über eine Person, die schlafend oder tot neben einem Grab läge. Sie würden eine gewisse Zeit brauchen, dem Anruf nachzugehen, aber in ungefähr einer halben Stunde müßte Currin im Krankenhaus liegen.
Ich fühlte mich wegen seiner Nase schuldig, aber sie würden ihm eine neue verpassen.
Ich hatte zwar vorgehabt, mit dem Anruf bei Karens Testamentvollstrecker bis zum nächsten Morgen zu warten, aber ich beschloß, nicht das einzige
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