L wie Liquidator

Wir schlossen einen Kompromiß – zur Hälfte darauf, zur Hälfte daneben. Er mußte genau in die richtige Position gebracht werden.
    »Kommst du zum Wagen zurück?« fragte Phinny, nachdem er Currin arrangiert hatte.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich werde hier aufpassen.«
    »Du mußt etwas zurückgehen, sonst wirst du von der Kamera erfaßt.«
    »Gut. Ich werde dich rufen.«
    Phinny und Coll gingen zurück zum Lieferwagen, den sie auf dem Hügel auf einem der schmalen Friedhofswege geparkt hatten. Ich wartete, bis ich das Zuschlagen der Wagentür hörte, dann holte ich das mit Adrenalin imprägnierte Tuch aus der Handtasche. Currin schnarchte, während ich sein Hemd öffnete und ihm das Stück Stoff auf die Brust preßte. Einen Augenblick lang passierte gar nichts. Dann bewegten sich die Augenlider, und er gab ein schwaches Geräusch von sich. Ich legte die Hand auf sein Herz. Es war gerade dabei, schneller zu schlagen. Gut. Ich hatte exakt die richtige Dosis Adrenalin auf den Lappen geträufelt. Er erwachte zitternd.
    »Jeremy?« Seine Augen öffneten sich. Ich zog mich zurück, bevor ich in sein Gesichtsfeld geriet. Die Straßenlampen über uns spendeten mehr als genug Licht, und ich sah zu, wie er entdeckte, daß er weder die Hände hinter dem Rücken hervor noch die Füße auseinanderziehen konnte. Er versuchte, sich hinzusetzen und fiel stöhnend auf den Bauch. Jetzt war ihm klar, was mit seinem Kopf passiert war – ich kenne das; wenn man jemandem mit einem Joybuzzer bearbeitet hat, ist das genauso, als hätte einen ein Maultier mit beschlagenen Hufen getreten. Er blinzelte nach oben, dann entdeckte er den Grabstein. Er brauchte über eine Minute, um die Grabinschrift zu entziffern. Ich konnte sie von meinem Standpunkt aus nicht lesen, aber ich wußte, was dort eingemeißelt stand: Karen Kittermann.
    Currin gab ein ah-ah-ah von sich und versuchte sich windend davonzumachen, aber das Adrenalin zog ihn in zehn Richtungen zugleich, und so drehte er sich immer nur im Kreise. Dann traf ihn eine Ladung Dreck mitten ins Gesicht, und er hielt zitternd inne.
    Die Erde über dem Grab begann sich zu bewegen, und während Currin noch zusah, stieß eine Hand durch die oberste Schicht, deren Finger sich öffneten und wieder schlossen und ins Leere griffen. Ich hörte, wie er beim Atmen ein scharfes Geräusch von sich gab. Plötzlich waren zwei Hände zu sehen; schmal, weiblich und von teigiger Blässe. Ein dumpfer, fauliger Geruch hing in der Luft und ließ ihn an dem Atemzug, den er gerade getan hatte, fast ersticken.
    Die Hände griffen nach oben und schaufelten sich aus dem Grab; jetzt konnte man die Arme sehen; fleckige Arme, die aussahen, als hätte sich das Fleisch in kleinen Stücken von ihnen gelöst. Die Finger tasteten suchend umher und verfehlten Currin nur um ein weniges. Er heulte auf und versuchte wieder, auf die Beine zu kommen, ohne dabei an die Handschellen zu denken und rollte statt dessen gegen den Grabstein. Er zitterte am ganzen Leibe, während er gebannt zusah, wie sich das Ding vom Boden losriß. Erdbrocken flogen durch die Luft, und der Geruch wurde immer strenger. Es war nicht besonders groß – bis jetzt hatte es nur den Oberkörper befreien können. Es hatte kaum noch Haare, und das eingesunkene Gesicht war mit silbrigen Flecken übersät. Currin lag auf der Seite und schaute zu ihm empor, außerstande, einen Laut von sich zu geben. Die morschen Arme öffneten sich, um ihn zu umarmen.
    »Jeremy«, rief eine hohe, weibliche Stimme. »Ich habe dich so vermißt.«
    Ich legte die Arme um mich, als wolle ich mich vor der Kälte schützen.
    »Ich bin’s, Karen«, sagte das Ding und beugte sich vor. Eine Hand fand seine Jacke und zerrte ihn näher heran, während er um sich trat und sich wand. »Du hast mich nicht vergessen, nicht wahr? Ich habe dich nicht vergessen.« Die Stimme triefte vor Verlangen. »Ich freu’ mich so, dich zu sehen.« Currin konnte gerade noch einen Schrei von sich geben, ehe das Ding sich herabbeugte, um ihn zu küssen und dabei voll gegen sein Gesicht schlug. »Ich freu’ mich so, dich zu sehen.« Der linke Arm des Dings zuckte, die Hand schloß und öffnete sich spastisch. Blut erschien auf Currins Gesicht. »Freu’ mich so, dich zu sehen. Freu’ mich so, dich zu sehen«, wiederholte das Ding, wobei der Kopf jedesmal gegen Currins Gesicht knallte.
    »Oh, Mist!« Ich rannte zu Currin, um ihn von dem Ding fortzuschleifen, als es plötzlich mit einem abgerissenen,