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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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verschwinden.
    »Danke, Miz. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie einen Neuen haben wollen.« Er fing an, betriebsam herumzuwieseln, arrangierte die Gläser neu und überprüfte die Getränke-Programme auf der Konsole unter der Espressomaschine. Hinten, am gegenüberliegenden Ende der langen Bar, hatte der andere Barkeeper einiges zu tun, was knapp vor Beginn der Attitude Adjustment Hour nicht gerade viel war. Aber das würde sich bald ändern. In ungefähr fünfzehn Minuten würde Jeremy Currin wegen seines üblichen Mittwoch-Nacht-Hits hier eintreffen, wenn er das Glück hätte, den VanBendt runter eine Grüne Welle zu erwischen. Für gewöhnlich hatte er es. Er war die Art Mann.
    Ich lehnte mich gegen die Rückenlehne des Barhockers (Vorschrift für alle Bars in der Stadt, seit dem berüchtigten, wenn auch komischen Hund-Wirbelsäulen-Prozeß von 1988) und schaute mich um. Es war leicht zu erkennen, weshalb Currin dieses Lokal mochte. Eine Dunkles-Holz-und-Messing-Lounge mit einer Anzahl antiker Akzente, den Spiegel hinter der Bar mit eingeschlossen – gerade die Art Lokal, wo ein Datenanalytiker mit Holzfällerphantasien an seinem Whiskey nippen und so tun konnte, als hätte er Schwielen an den Pfoten. Zur Hölle damit – wenn ein Knopfdrücker, Tausende von Meilen vom nächsten Mammutbaum entfernt, so aussehen möchte wie ein Great Northwest vom vorigen Jahr, dann scherte sich wirklich niemand viel darum. In dieser Nacht hatte ich überhaupt kein Recht, kritisch zu sein.
    Ich war nur gerade dabei, ihn anzumachen, was nicht sehr schwierig zu werden versprach.
    Ich verfolge diesen Mann nun fast schon drei Monate, direkt und in Vertretung. Seine Gewohnheiten sind normal, mit einem Spontaneitätsfaktor von unter zehn Prozent – auf seine Art festgelegt, aber Vorschlägen gegenüber offen, wenn das Timing stimmte. Ledig, war noch nie verheiratet gewesen, und würde auch nie heiraten. Eindeutig nicht mein Typ, was schuld daran war, daß ich eine ungeladene Bombe trank. Ich mußte nüchtern bleiben, um ihn zu packen, und wenn ich einmal zu trinken anfing, konnte ich nicht mehr aufhören. Doch wenn Currin die Bombe röche, würde er bestimmt glauben, ich wäre die schlimmste Trinkerin im Lokal.
    Weiter hinten in einer Ecke ließen zwei riesige Kerle einen albernen kleinen Tisch, beladen mit Hors-d’œuvres, winzig erscheinen. Sie beobachteten mich, während sie sich mit Shrimps vollstopften. Ich drehte mich um und warf ihnen einen tödlichen Blick zu, worauf sie mit dem Starren aufhörten. Wenn ich arbeite, kann ich keine Leute vertragen, die um mich herumschleichen, mich mit Blicken durchbohren oder auch nur so anstarren wie die beiden.
    Ein kühler Windstoß wehte meine Cocktailserviette davon, als eine Gruppe unternehmungslustiger junger Leute hereindrängte. Currin war nicht dabei. Noch drei Minuten, und er hätte offiziell Verspätung. Ich würde wegen einer Viertelstunde nicht gleich nervös werden. Wenn er nicht erschien, so hieße das, daß er beschlossen hatte, aus irgendeinem Grund mit seiner Gewohnheit zu brechen. Bleib bei deinem alten Trott, Currin! bat ich lautlos. Laß nicht zu, daß ich alles wieder abblasen muß!
    Als die Musik an Lautstärke zunahm, fingen die Leute am anderen Ende der Bar an, sich zu verteilen. Ein Pärchen warf mir einen kurzen Blick zu, aber ich wußte, sie würden mich nicht wiedererkennen. Früher war ich unauffällig, bin niemals allein hierher gegangen und saß nie allein an der Bar. Ich drehte mich zur Seite, um anzudeuten, daß ich auf Gesellschaft keinen Wert legte. Keiner von ihnen war mit Currin befreundet.
    Mein Barkeeper kam gerade wieder auf mich zu, als die Eingangstür sich noch einmal öffnete und ich den vertrauten Blondschopf im Licht des gefüllten Vestibüls leuchten sah.
    »Eine Sekunde«, sagte ich zum Barkeeper und verdrehte den Hals, um herauszufinden, wohin Currin gehen würde. Der Barkeeper folgte meinem Blick und stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, nach was ich Ausschau hielt. Currin kam auf das Barende zu, an dem ich saß. Ich drehte mich schnell um.
    »Oh«, sagte der Barkeeper.
    »O dich selbst. Geben Sie mir einen Neuen! Wenn Sie eine größere Nadel auftreiben können, dann tun Sie sie rein.«
    Currin ging hinter mir vorbei, mit einem Mann und drei Frauen im Schlepptau. Die fünf lehnten sich dort gegen die Wand, wo die Bar eine Kurve beschreibt, so daß Currin das Talent ohne große Mühe beobachten konnte. Ich versuchte ihn aus den

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