L.A. Woman
fand Sarah so … witzig, auf eine ganz saubere Art und Weise, und war überzeugt, dass sie nur diese Versandhaus-Katalog-Klamotten irgendwo vergraben und sich den Stock operativ aus dem Rückrat entfernen lassen müsse, dann gäbe es vielleicht noch Hoffnung.
Doch diese Hoffnung hatte sich in den letzten paar Monaten verflüchtigt. Jetzt war das Zurückkommen ins Apartment vergleichbar mit einer Rückkehr nach Bosnien, dabei sollte ihr Zuhause doch eine Zuflucht sein. Sie war nicht einen Schritt mit dieser Zicke, wie sie sie jetzt nannte, vorangekommen. Es war Zeit auszuziehen.
Als Martika zur Tür herein kam, brannten keine Lichter, uns sie bekam fast einen Herzinfarkt, als sie Sarahs Stimme hörte. „Tika? Bist du das?“
Sie schnappte nach Luft und motzte los: „Du hast mich zu Tode erschreckt, Sarah.“ Sie fügte im Geiste einen weiteren Punkt auf ihre Zicken-Liste hinzu. „Warum sitzt du da im Dunkeln rum?“
„Ich habe kein Licht gemacht, was?“
Bildete sie sich das nur ein, oder lallte Sarah? Sie tastete herum und fand endlich den Lichtschalter, und ihr stockte der Atem, als sie auf dem Tisch eine rote Pfütze und eine Schere sah. Zu ihrer Erleichterung war das Rote zu dünn, um Blut zu sein. Der Geruch deutete darauf hin, dass es sich um ihren Notfall-Wodka mit Preiselbeersaft handelte.
„Süße, was …“, begann Martika und zuckte zurück, als sie Sarah genauer betrachtete. „Oh, Scheiße. Sarah, was hast du getan?“
„Hm? Oh!“ Sarahs tastete mit ihrer Hand nach dem Kopf. Ihr Haar war kurz und zottelig, nur vereinzelte lange Haarbüschel standen ab. „Wusstest du, dass es bei manchen indianischen Stämmen Tradition ist, das Haar abzuschneiden, wenn um jemanden getrauert wird?“ fragte sie, und ihre Stimme klang, als wolle dieses Thema ganz sachlich erörtern. „Ich fand das immer ziemlich cool.“
Alle Gedanken daran auszuziehen, verschwanden sofort aus Martikas Hirn. Dem Anschein nach hatte dieses kleine Mädchen eine halbe Flasche starken Wodka leer getrunken und sich die Haare abgeschnitten. Das sah nach ziemlich ernsthaftem Ärger aus, der ganz nach ihrem Geschmack war.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Martika, setzte sich und stellte ihr Handy ab. Die Zicke war tot, Gott sei Dank, und jetzt gab es jede Menge für dieses arme kleine Mädchen zu tun. „Erzähl mir alles, und ich verspreche dir, wir werden eine Lösung finden.“
6. KAPITEL
T he Changeling
Sarah erwachte am nächsten Morgen mit schmerzendem Kopf und einem widerlichen Geschmack im Mund. Sie glaubte sich zu erinnern, dass sie in der Nacht aufgestanden und ins Bad gewankt war, um sich zu übergeben, und zwar mit solcher Heftigkeit, dass ihr der Toilettensitz auf den Kopf geknallt war. Sie glaubte auch zu wissen, dass Martika sich wie eine besorgte Mutter um sie gekümmert hatte, was insofern seltsam war, da Martika sie doch eigentlich nicht leiden konnte. Oder? Jedenfalls hätte sie jetzt jeden Grund, sie noch weniger zu mögen … kleine bizarre Erinnerungsfetzen der vergangenen Nacht tauchten in ihren Gedanken auf und erinnerten Sarah an einen wirklich schlechten experimentellen Film. Sie, die Martika erzählte, wie sie Benjamin kennen gelernt hatte, und schließlich ihr ganzes Leben ausbreitete und erklärte, wie sie über Männer und Sex dachte und … oh Gott, warum hatte Martika sie nicht zum Schweigen gebracht? Wahrscheinlich hatte sie gedacht, sie sei psychisch gestört und es wäre besser, sie ausreden zu lassen, bevor sie noch gewalttätig würde. Sarah rieb sich die Schläfen. Und das hätte bestimmt geschehen können, sie war nie zuvor in einem solchen Zustand wie vergangene Nacht gewesen.
Zumindest bin ich nicht nackt, dachte sie, als sie an sich herabsah. Dann wurde ihr klar, dass das nicht ihr T-Shirt war, aber zumindest die Shorts gehörten ihr. Wahrscheinlich war sie nackt aus dem Bett gesprungen, um sich zu übergeben – guter Gott, das wurde ja immer schlimmer.
Sie öffnete die Augen und stöhnte, als das Licht sie durch die Balkonfenster traf. War das hell! Wie viel Uhr es wohl war? Sie blickte auf ihre Uhr – sechs Uhr abends. Wo war die Zeit geblieben? Sie stand auf, ging in die Küche und lächelte, als ihr Blick auf den Tisch fiel. Mühsam wie eine alte Frau, die ihren Stock vergessen hatte, lief sie um den Tisch und fand zwischen drei von Taylors chinesischen Kater-Killern einen Zettel:
Ich dachte, du könntest das brauchen. Ich hole dich gegen sieben Uhr ab. Wir gehen zu Joey.
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