L.A. Woman
Martika
Sarah las die Nachricht langsam drei Mal hintereinander. Dann öffnete sie eine Flasche und trank sie bis auf den letzten Tropfen aus, denn sie erinnerte sich an die positive Wirkung beim letzten Mal, als sie mit Taylor ausgegangen war. Sie hatte keine Ahnung, warum Martika sie abholen wollte und wer Joey war. Aber wenigstens blieb ihr noch eine Stunde Zeit, sich fertig zu machen. So viel zumindest schuldete sie Martika, die immerhin eine ziemlich unerfreuliche Nacht hinter sich hatte.
Sarah wanderte ins Badezimmer, gähnte, konnte es kaum erwarten, sich endlich die Zähne zu putzen, schaltete das Licht an, sah in den Spiegel … und kreischte auf. Sie sah aus wie eine Kreuzung aus einem Punker und einer Toilettenbürste. Manche Strähnen ihres Haares waren raspelkurz geschnitten, während andere über ihre Schultern fielen. Sie hob ihre Hand an den Kopf und öffnete ungläubig den Mund.
Oh mein Gott.
Immer wieder strich sie mit den Fingern durch dieses bizarre moderne Kunstwerk, das einmal eine Frisur gewesen war, und spürte einmal lange glatte und dann wieder borstige kurze Haare. Jetzt erinnerte sie sich vage daran, dass sie letzte Nacht zu einem bestimmten Zeitpunkt über Indianer nachgedacht hatte und darüber, dass sie sich die Haare abschnitten. Die Schere hatte sich wie von selbst bewegt. Sie hatte seitdem nicht ein einziges Mal mehr darüber nachgedacht und nun … Grundgütiger, sie sah aus wie eine Mutantin, man würde ihr eine Glatze scheren müssen …
Sarah putze sich die Zähne und versuchte so gut es ging, den schlechten Geschmack aus ihrem Mund zu vertreiben und dabei gleichzeitig jeden Blick in den Spiegel zu vermeiden, sonst hätte sie bestimmt angefangen zu heulen.
Sie flüchtete unter die Dusche und blieb dort so lange, bis der Spiegel vom Dampf beschlagen war. Erst dann traute sie sich wieder heraus. Sie versteckte ihr Haar unter einem Handtuch-Turban und ging zurück in ihr Zimmer. Dort zog sie schnell Jeans und T-Shirt an und suchte nach einem Hut. Sie suchte noch immer, als sie Martika nach Hause kommen hörte.
„Sarah! Sarah! Süße, bist du fertig? Geht’s dir gut?“
Sarah fand einen zerknitterten Jeanshut, den sie in Fairfield ab und zu bei der Gartenarbeit angezogen hatte, und stopfte das übrig gebliebene lange Haar darunter. „Ich muss nur noch Schuhe anziehen“, rief sie.
Martika betrachtete sie interessiert und grinste breit. „Du siehst aus, als wärst du zehn Jahre alt.“
Sarah sah sie böse an. „Das musst du mir nicht auch noch unter die Nase reiben. Ich kann nicht glauben, was ich getan habe.“
„Ich schon, und es war höchste Zeit. Nicht dafür, dass du dein Haar schneidest“, korrigierte sie sich und wartete geduldig, bis Sarah Turnschuhe über die bloßen Füße zog. „Was ich meine, ist, dass du offenbar das Ganze schon ziemlich lange in dir aufgestaut hattest. Jetzt, wo du es rausgelassen hast, wird es dir bestimmt viel besser gehen. Ich wollte dich anrufen, um sicher zu gehen, dass du in Ordnung bist … schließlich hast du dich die halbe Nacht übergeben …“ All diese mütterlichen besorgten Worte klangen seltsam aus dem Mund einer gnadelosen Amazone wie Martika, aber gleichzeitig klang es sehr, sehr tröstlich.
Sarah stand auf. „Ich möchte mich bei dir bedanken, Martika. Ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hätte. Du warst wirklich … du warst so …“
„Mach dir keine Gedanken darüber. Ich habe die ganze Zeit, seit ich hier eingezogen bin, darauf gewartet, dass du, na ja, interessant wirst. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben“, sagte Martika und lachte laut und heiser. Sarah fühlte sich überraschenderweise nicht beleidigt. „Wie auch immer, wir gehen jetzt zu meinem Friseur, zu Joey. Du hast Glück, normalerweise ist er immer einen Monat im Voraus ausgebucht, aber er schuldet mir noch einen Gefallen.“
„Danke …“
Martika lächelte. „Süße, das ist erst der Anfang. Du bist jetzt ein Single. Warte nur ab, das wird so lustig!“
Sarah fühlte sich wie eine Zehnjährige, als sie in den Friseursalon in Beverly Hills trat. Martika hatte sie mit ihrem mitternachtsblauen BMW-Cabrio in der Hälfte der Zeit, die sie selbst gebraucht hätte, hierher gefahren. Während der Fahrt hatte Sarah sich heimlich am Türgriff fest geklammert. Martika hingegen hatte es bewältigt, beim Fahren Lippenstift aufzutragen und mit Taylor zu telefonieren. „Taylor, Süßer, du musst mich im Salon treffen. In Joeys Salon,
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