Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
finden?«
»Wir haben keine Wahl«, knurrte León.
Plötzlich kam Mary eine Idee. »Doch, die haben wir«, sagte sie bestimmt. Sie wunderte sich selbst, wie fest ihre Stimme klang.
»Wie denn?«, fragte Jenna. »Die Tür ist verrammelt und hinter uns lauern Feinde aller Art auf uns. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie uns einholen!«
»Ich werde die Tür von innen öffnen, sie ist vermutlich verriegelt«, sagte Mary ruhig. Die drei schauten sich an, als hätte sie den Verstand verloren.
Mary deutete auf das Rohr in der Wand, aus dem unablässig das eiskalte Wasser in die Rinne hinabfloss.
»Ich gehe da rein!« Sie deutete auf das schwarze Loch. Die anderen schwiegen verblüfft.
Schließlich fragte Jeb: »Du glaubst wirklich, dass du durch das Rohr kommst, ohne stecken zu bleiben oder zu ertrinken?«
»Einen Versuch ist es wert, meint ihr nicht?« Sie zuckte mit den Schultern. Tatsächlich setzte sie in dem Moment, als sie ihre Idee ausgesprochen hatte, alles aufs Spiel. Denn wenn sie es nicht schaffte, wären sie alle verloren. Sie versuchte, den Gedanken so weit von sich zu schieben wie möglich.
»Nein«, widersprach León heftig. »Das wirst du nicht tun. Ich gehe.«
Mary sah seine Verzweiflung, die Ohnmacht in seinem Gesicht. Sie wussten beide, dass er es mit dieser Verletzung niemals schaffen konnte.
»Du bleibst hier und wartest, bis ich die Tür aufmache«, sagte Mary entschlossen, jetzt glühte ihr Gesicht.
»Ich kann es versuchen«, warf Jeb unentschlossen ein, aber Mary schüttelte den Kopf. »Nein, du und Jenna seid beide zu groß, ihr bleibt mit den Schultern in der Röhre stecken. Wenn überhaupt, bin ich die Einzige, die durchpasst.« Sie holte tief Luft. »Denkt an Tian und Kathy. Bisher haben alle von ihnen ein Opfer gebracht. Jetzt bin ich dran. Ich kann es schaffen.«
Sie sah Jebs kritischen Blick. »Aber was machst du, wenn es hinter der Mauer keinen Ausgang aus der Röhre gibt? Wenn diese Röhre einfach nur in eine andere mündet? Du wirst ertrinken.«
»Das wissen wir erst, wenn ich es versucht habe. Bleibe ich hier, sterben wir ohnehin.«
»Nein. Bitte, Mary«, flehte León und sie konnte ihm ansehen, dass ihm der Gedanke Übelkeit bereitete. Er war es sichtlich nicht gewohnt, dass jemand anderes die Gefahr auf sich nahm. »Lass uns über eine andere Möglichkeit nachdenken.«
»Es gibt keine und du weißt das. Abgesehen davon: Ihr alle habt schon so viel riskiert, jetzt bin ich an der Reihe. Und ich kann es schaffen.«
Sie sah, dass er erneut etwas erwidern wollte, aber sie legte sanft ihre Finger auf seine Lippen. »Vertrau mir.« Und bevor er noch etwas sagen konnte, unterbrach sie ihn: »Kein Abschied. Ich komme wieder und hole dich.«
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging zur Röhre hinüber. »Jeb, bitte gib mir deine Lampe.«
Er reichte sie ihr und Mary leuchtete in das Wasser, das unablässig daraus hervorsprudelte. Der Anblick war furchterregend. Das Wasser war schwarz wie Tinte, rauschte mit ungeheurer Geschwindigkeit aus der Wand und füllte dabei fast die ganze Röhre aus. Sie versuchte, die Breite abzuschätzen, aber da sie schmal gebaut war, müsste sie eigentlich problemlos durchkommen. Die Luftzufuhr würde schwierig werden. Nur ganz oben gab es in der Röhre einen schmalen Raum, den das Wasser nicht ausfüllte. Sie würde eine ganze Weile die Luft anhalten und sich beeilen müssen. Ein Schauder lief ihr über den Rücken.
Im Tunnel hinter ihnen erklangen aufgeregte Rufe. Sie konnte nicht mehr unterscheiden, von wem die Geräusche stammten, welche Stimmen sie verfluchten und wer ihnen mit dem Tod drohte. Die Angst vor ihrem Vater war jetzt diffus geworden, seit León wieder verletzt an ihrer Seite war. Sie hatte keine Angst mehr, denn sie musste jetzt stark sein für sie beide, wenn es noch eine Chance für sie geben sollte. Und eines aber war Mary klar, sie waren in der Unterzahl, und wer auch immer sie hier finden würde, hätte leichtes Spiel. Sie musste sich beeilen, wenn auch ihre Freunde eine Chance haben sollten.
Mary gab Jeb die Lampe zurück. »Bitte leuchte mir.«
Sie begann, sich auszuziehen. »Dann habe ich wenigstens trockene Kleidung und erfriere nicht gleich, wenn ich es geschafft habe, die Tür zu öffnen. Jenna, nimmst du die Sachen für mich mit? Sie würden mich beim Schwimmen nur behindern.«
Als sie nackt bis auf den Slip dastand, fror sie sofort. Schon die einzelnen Tröpfchen des herabströmenden eisigen Wassers erzeugten
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