Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
Verfolgern entkommen, würden die Tore finden und diese grausame Welt aus Gewalt und Zerstörung verlassen.
Sie spürte das eiskalte Wasser nicht mehr, als sie auf ihn zulief. Das Licht der Taschenlampe traf auf ihr Gesicht, blendete sie, aber das war egal.
Kurz darauf senkte León die Lampe, denn Mary fühlte hinter ihren geschlossenen Lidern, dass das Licht von ihrem Gesicht genommen wurde.
Dann stand sie vor ihm, fiel in seine Arme. Sie küsste seinen Hals, seinen Mund, flüsterte ihm unverständliche Sachen ins Ohr. Während ihre übersprudelnde Wiedersehensfreude sich langsam legte, spürte sie, dass etwas mit León nicht stimmte. Er war zurückhaltend, erwiderte ihre Umarmung kaum und atmete stoßweise. Konnte er sie nicht einmal jetzt richtig fest umarmen und ihr zeigen, dass er sie mochte? Sein Shirt war feucht. War er ins Wasser gefallen? Nein, er war an vielen Stellen noch trocken. »Du hast mich ganz schön warten lassen«, flüsterte sie glücklich. Das Licht der Taschenlampe war auf den Boden gerichtet, sodass sie nicht sehen konnte, ob er lächelte, aber sie ging einfach mal davon aus.
»Gehen wir zu den anderen«, sagte León und Mary zog ihn an der Hand hinter sich her.
Jeb ließ das Feuerzeug zuschnappen, als León zu ihnen trat und ihm eine zweite Taschenlampe in die Hand drückte.
»Wo hast du die her?«, fragte er León.
»Ich bin auf einen Muerte negra getroffen. Es kam zu … einem Schusswechsel. Ich habe mir seine Waffe und die Lampe geschnappt.« Er drückte beides Jeb in die Hand.
»Gott sei Dank ist dir nichts passiert«, stieß Mary atemlos hervor.
»Es ist nicht so einfach, Mary.« León klang traurig. Er ließ den Lichtstrahl seiner Taschenlampe an seinem Körper hinabwandern.
Blut. Überall Blut. Sein T-Shirt und das Stück Stoff, das er um seine Hüfte gebunden hatte, waren blutdurchtränkt und immer neues floss darunter hervor.
Mary schrie auf. »Nein!«
»Ist schon gut«, sagte León. »Nicht so schlimm, wie es aussieht.«
»Bitte, oh Gott, nein …« Mary wusste nicht, wohin sie zuerst schauen sollte, zu Leóns Wunde, in sein Gesicht, um nach Zeichen von Schmerzen zu suchen, oder zu Jeb und Jenna, um ihre Einschätzung von Leóns Lage herauszubekommen.
Aber sie sah selbst, dass seine Lage schlimm war. All das Blut war ein Anblick, den sie kaum ertragen konnte. Ihre Hände zitterten, als sie sanft über Leóns Gesicht strich.
Was sollte sie jetzt tun?
Ihre Gedanken jagten wild durcheinander. Würde er sterben? Nein, das war unvorstellbar. Alle starben, waren verletzlich und bluteten, aber nicht León, ihm konnte doch niemand etwas anhaben und dennoch floss das Blut in Strömen aus ihm heraus. Mary schrie auf.
León legte seinen Arm um sie, gab ihr einen Kuss auf die Haare. »Ist schon gut«, raunte er leise. »Alles wird gut.«
»Lass mich mal sehen«, meinte Jenna energisch.
León schüttelte den Kopf. »Da gibt es nichts zu sehen.«
»Trotzdem.« Jenna wandte sich an Jeb. »Leuchte mir mal. Mary, geh bitte ein Stück zur Seite.«
Als Jeb den Lichtstrahl auf León gerichtet hatte, schaute Mary zu, wie Jenna ihm erst das blutverschmierte Sportshirt abnahm und dann Leóns T-Shirt hochhob. Sie zuckte zusammen, als sie die Schusswunde sah. Böse, dunkel, ja fast schwarz wirkte es im Schein der Lampe und unablässig sickerte Blut daraus hervor. Sie presste die Lippen aufeinander, um nicht aufzuschreien. León griff nach ihrer Hand und presste sie fest, sie erwiderte seinen Druck, um ihm zu zeigen, dass sie da war. Sie würden das gemeinsam durchstehen.
»Jeb, ich brauche dein Shirt«, sagte Jenna ruhig. »Mary, halt die Lampe.«
Mary beleuchtete die drei anderen, während Jeb und Jenna ihre Flanellhemden von der Hüfte losbanden, Jeb sein Shirt auszog und danach das Hemd überstreifte.
»Wollt ihr meins auch haben?«, fragte Mary.
»Nein, das sollte reichen«, meinte Jenna. Sie faltete sorgsam das Shirt, das Jeb von Carmelita bekommen hatte, zusammen und presste es vorsichtig auf Leóns Wunde. »Halt das mal so«, sagte sie zu ihm. Dann band sie ihm ihr Hemd um die Hüfte, sodass der provisorische Verband fest saß und nicht verrutschen konnte.
»Danke«, sagte León leise.
»Fürs Erste sollte das gehen. Aber du musst zu einem Arzt.«
Er lächelte gequält. »Wenn du einen siehst, sag mir Bescheid. Bin nur etwas schwach auf den Beinen, aber ich denke, das geht euch genauso.«
»Wir bringen dich hier raus«, sagte Mary entschlossen. »Auf jeden Fall. Wir
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