Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
wäre am Ende, aber von einem Moment zum anderen hatte sich sein Schicksal gewandelt. Das Glück kehrte zu ihm zurück und er war am Zug.
Jenna ging mit großen Schritten durch den Gang. Ihre Hoffnung, Jeb zu finden, hatte sich vorerst nicht erfüllt, aber sie war nicht bereit aufzugeben. Hinter ihr keuchte Mary schwer, die offenbar Probleme hatte, mit ihr mitzuhalten.
»Jenna, ich kann nicht mehr. Lass uns eine Pause machen.«
Jenna blieb stehen. Sie selbst fühlte sich immer noch so kräftig, nahezu unbesiegbar. Es widerstrebte ihr, aber sie hielt an, wartete auf Mary, die nur langsam herankam.
Sie schaute sorgenvoll auf Mary, die sich schwer zu Boden sacken ließ und die Beine von sich streckte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in schnellem Rhythmus.
Zehn Minuten, dachte Jenna. Darauf kommt es auch nicht an. Bis jetzt haben wir Jeb nicht gefunden und wer weiß, ob ich mir seine Rufe nicht doch nur eingebildet habe.
Jenna ging neben Mary in die Hocke.
»Wir werden die anderen finden. Es kann gar nicht anders sein.«
»Was macht dich so sicher?«, wollte Mary wissen.
»Nenn es ein Gefühl. Außerdem die Botschaft. Es gibt immer ein Tor weniger als Überlebende. Die Sache wäre doch sinnlos, wenn nicht wenigstens der größte Teil von uns die Tore erreichen würde. Wo bleibt denn da der Spaß für denjenigen, der uns das alles eingebrockt hat?«
»Du meinst, das hat sich jemand ausgedacht? Aber wer sollte so etwas tun und warum?«
Jenna zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, das erfahren wir erst in der letzten Welt.«
»Dann wird es nur einer von uns herausbekommen. Wahrscheinlich León.«
»Oder wir werden einen anderen Weg aus dieser Scheiße herausfinden.« Jenna wollte so schnell noch nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich das alles hier noch wandeln konnte. Zum Guten. Jetzt, da sie Jebs Stimme gehört hatte, war sie so überzeugt davon wie nie zuvor.
»Das nennt man wohl positives Denken.« Mary lächelte schief.
Jenna blickte sie an. »Woher hast du das denn?«
»Den Spruch? Keine Ahnung, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Ausweg aus dieser Situation gibt. Jedenfalls keinen, bevor das Spiel zu Ende ist.«
»Du nennst das ein Spiel?«
»Was ist es denn sonst?« Mary schüttelte zornig den Kopf. »Ein großes, beschissenes, grausames Spiel, bei dem nur einer überleben wird. Der bekommt dann irgendeinen Scheißpreis und darf weiterleben mit dem Gedanken, dass all die anderen gestorben sind.«
Jenna war erstaunt, aber konnte nicht anders, als Mary innerlich recht zu geben. Das hier fühlte sich genau so an: wie ein perfides Spiel um das eigene Überleben. Aber trotzdem musste sie versuchen, dass sie beide nicht die Hoffnung verloren. Sie schüttelte unwillig den Kopf. »So habe ich dich ja noch nie reden hören.«
»Tja, ich bin eben nicht die graue Maus, wie du vielleicht denkst. Ich habe in meinem Leben einiges Schreckliches erlebt und ich habe es überlebt. Das hat mich verletzt, aber es hat mich nicht zerstört. Nein, es hat mich stärker gemacht. Und ich habe gelernt, dass allein das Hoffen nichts bringt. Es kommt auf deine innere Kraft an. Und die liegt in jedem von uns.«
»Willst du über das Schreckliche aus deinem Leben reden?«
Mary schaute Jenna in die Augen und Jenna erschrak vor dem Abgrund, der in diesen Augen lag.
»Sieh mich an, Jenna! Was siehst du?«
»Ein sehr verwirrtes Mädchen«, antworte Jenna leise.
»Nein, das siehst du nicht, denn das bin ich nicht. Mir ist klar geworden, dass ich zu Recht hier bin, denn ich habe nichts anderes verdient, und wenn ich sterbe, geht das schon in Ordnung.«
Jenna hielt mitten in der Bewegung inne. »So etwas darfst du nicht sagen, nicht einmal denken! Du hast das gleiche Recht wie alle, das hier zu überleben. Vielleicht sogar noch mehr als wir anderen, gib niemals auf.«
Mary sah sie lange traurig an. Dann schüttelte sie leicht den Kopf und erhob sich. »Selbst wenn ich hier herauskomme, was erwartet mich für ein Leben? In deiner Welt, Jenna, ist vielleicht immer alles schön und strahlend. Deine Welt hat ein Happy End. Soll ich dir mal was sagen: Deine Welt ist nicht real, Jenna, nicht für jeden. Es gibt keine Happy Ends – zumindest nicht für mich.«
J enna und Mary waren schweigend dem Gang weiter gefolgt, als sie plötzlich vor sich ein Keuchen hörten. Beide blieben erschrocken stehen und lauschten.
Dann stürmte Jenna los: »Das ist Jeb!«
Vor ihr machte der Gang eine Biegung. Als sie um die Ecke
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