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Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich

Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich

Titel: Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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sprechen. Da es keinen Ton zu den Bildern gab, wusste Mischa nicht, was der Mann sagte, aber es wirkte so, als hielte er eine Rede, denn seine Hände gestikulierten und hin und wieder hämmerte er mit seiner Faust auf das Pult, hinter dem er stand.
    Mischa betrachtete ihn genauer. Irgendetwas an diesem Mann kam ihm bekannt vor.
    Und dann wusste er es.
    Das ist mein Vater!
    Der dunkle Anzug, das weiße offene Hemd, die schlanke Figur, das ausdrucksstarke Gesicht mit den harten Wangenknochen, millimeterkurz geschnittene Haare, die in eine Halbglatze übergingen. Alles war ihm vertraut.
    Er ist es!
    Für einen Moment vergaß Mischa sogar seine Schmerzen. Dann verschwand das Bild plötzlich und machte Platz für neue Aufnahmen.
    Die Kamera richtete sich auf ein brennendes Autowrack. Daneben standen andere Fahrzeuge, von Kugeln durchsiebt. Qualm lag über der Szenerie, trotzdem konnte man die Toten auf der Straße sehen. Ein halbes Dutzend Männer lag dort – erschossen.
    Eine Nachricht wurde unterhalb des Bildes eingeblendet:
    Der Präsident ist tot!
    Die Worte brannten sich in sein Gehirn, aber es dauerte, bis er begriff. Der Mann, der zuvor eine Rede gehalten hatte, war tot. Sein Vater war tot.
    Und er war der Sohn des russischen Präsidenten.
    Mein Name ist Mischa Olegejow. Ich bin siebzehn Jahre alt und wurde im Kaukasus geboren. Meine Mutter ist seit vielen Jahren tot. Von einem russischen Gefreiten erschossen bei einem Attentat auf meinen Vater. Er hat überlebt, aber diesmal haben sie ihn gekriegt.
    Mischa blieb bei diesen Gedanken ganz ruhig. Denn mit der Erinnerung war auch sein Hass auf seinen Vater zurückgekommen.
    Du bist schuld an Mamas Tod. Sie wollte nicht zur Einweihung der Militärbasis mitkommen, aber du hast sie gezwungen, gesagt, es wäre ein öffentlicher Auftritt und diene zur Beruhigung des Volkes, das unter dem seit Jahren anhaltenden Krieg in Tschetschenien litt. Ölpreise und die Kosten für Nahrungsmittel waren auf einem Rekordhoch, die Menschen froren und hungerten und du hast sie mit wunderbar klingenden Reden satt machen wollen. Statt Essen gab es von dir Durchhalteparolen.
    Bis es einem von ihnen reichte.
    Andrejew Gregori Anaschenko.
    Er stand in der Parade, zog seinen versteckten Armeerevolver hervor und zielte auf dich, traf aber Mutter. Der Lauf war verzogen und so tötete er die Sonne Russlands, wie Mama vom Volk genannt wurde. Du hast überlebt. Dafür hasse ich dich.
    Doch nun, Jahre später, bist auch du tot und ich allein.
    Mischa legte den Kopf in den Nacken und vergaß beinahe zu atmen. Er hatte ein Leben, er hatte eine Vergangenheit. Er war nicht nur irgendein Junge in einem leeren Labyrinth voller Wände mit Zahlen.
    Ich war dabei. Bin mit einer Limousine hinter dir und dem Verteidigungsminister hergefahren. Ihr habt im Auto eine Besprechung zur Lage abgehalten. Auf einer Straße zum Flughafen haben sie uns gestoppt.
    Ein quer gestellter Lieferwagen blockierte unser Weiterkommen und zwei schwarze Kleinbusse mit getönten Scheiben schoben sich hinter uns.
    Männer sprangen heraus, eröffneten sofort das Feuer. Handgranaten wurden geworfen. Dann kam der Tschetschene auf mich zu. Ein Lächeln im Gesicht, eine Granate in der Hand. Danach nichts mehr. Bin ich an diesem Tag gestorben? Ist das hier das Jenseits?
    Mischa schüttelte heftig den Kopf, was ihm sofort neue Schmerzen einbrachte. Das konnte nicht sein. Er war nicht tot. Wäre er tot, hätte er keinen Körper mehr und folglich auch keine Schmerzen. Nein, nein, nein, das hier war etwas ganz anderes. Er hatte überlebt. Doch wie lange noch?
    Vielleicht haben mich die Attentäter entführt und unter Drogen gesetzt?
    Nein, das erklärte nicht, woher Jeb, Jenna und die anderen kamen. Mischa war sich inzwischen sicher, die Jugendlichen niemals zuvor gesehen zu haben. Die anderen waren keine Russen und wie Diplomatenkinder sahen sie auch nicht aus. León schon gar nicht.
    Bei dem Gedanken an den tätowierten Jungen spuckte er wütend auf den Boden. León schien der Hölle selbst zu entstammen. Nicht einmal richtig lesen konnte er. An Jeb würde er sich erinnern, wenn er ihm schon mal begegnet wäre. Das Gleiche galt für Kathy. Bei den anderen Jugendlichen konnte er es nicht beschwören, war sich aber relativ sicher.
    Ich habe überlebt, bin aber an einem Ort, der nicht meinem bisherigen Leben entstammt. Nur die Mathematik ist Teil meiner Vergangenheit und jetzt bin ich in einem Labyrinth gefangen. Das Labyrinth. So hatte es Jeb

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