Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
führte Mischa den Satz fort. »Ja, und hoffentlich kriegen wir das Schwein eines Tages in die Finger und dann töten wir ihn, wer auch immer hierfür verantwortlich ist.«
Jeb kroch ein Schauer über den Rücken. Mischa sprach mit einer Intensität und einer Härte, die er bisher nicht an ihm gekannt hatte. »Was ist mit León?«
Mischa starrte ihn misstrauisch an. »Das habe ich euch schon erzählt.«
»Ich dachte nur, vielleicht erinnerst du dich noch an etwas. Hast du uns wirklich alles gesagt?«
»Du glaubst mir nicht!«, zischte Mischa. »Was willst du mir unterstellen? Glaubst du, ich habe etwas mit Leóns Tod zu schaffen?«
»Nein, ich weiß nur nicht …« Jeb versuchte, Mischa beschwichtigend die Hand auf die Schulter zu legen.
Doch der schüttelte sie unwillig ab. »Was?«
»Zugegeben, ich war nicht dabei. Aber du hast so merkwürdige Verletzungen. Es ist nur schwer vorstellbar, dass das alles von einem Sturz verursacht wurde. Man könnte glauben, du wärst von einem Bus überrollt worden.« Jeb lächelte schief. »Nur dass es hier keine Busse gibt.«
»Soll das jetzt witzig sein?«
Jeb hob die Hände. »Nein, sorry, wenn es etwas flapsig rüberkam, aber nimm zum Beispiel deine Hände …«
»Was ist mit ihnen?«
»Die Knöchel sind aufgeplatzt. So etwas passiert einem normalerweise nicht bei einem Sturz.«
»Wegen meiner Knöchel?«, fragte Mischa ungläubig. »Deswegen misstraust du mir? Und Jenna auch?«
»Ich …«
»Nein, lüg jetzt nicht. Ich sehe doch die schiefen Blicke von dir und Jenna, ich kann das langsam nicht mehr ertragen.«
Jeb schaute ihn abwartend an.
»Da du es ja offenbar so genau wissen willst: Ich habe vor Wut auf die Wand eingedroschen. Als ich versuchte, eines der schweren mathematischen Rätsel zu lösen, um die Türen zu öffnen. Als es mir zunächst nicht gelang, da habe ich … ich bin halt kurz durchgedreht.«
»Mischa …«
»Warum hast du mich nicht einfach gefragt? Einfach nur fragen, Mischa, was ist mit deinen Händen passiert? Und es wäre in Ordnung gewesen. Aber gut, dann weiß ich auch, woran ich jetzt bin bei dir und Jenna.« Mischa atmete tief aus. »Scheiß auf euch, Jeb. Ich scheiß auf euch.«
N achdem sie noch eine Weile weitermarschiert waren, machte der Gang vor ihnen einen weiten Bogen. Schweigend folgten sie ihm. Da öffnete sich der weiße Tunnel zu einem gigantischen Raum, der sich in alle Richtungen erstreckte. Der Boden war kreisförmig angelegt. Der ganze Raum strebte nach oben und schloss sich hoch über ihren Köpfen zu einer Kuppel. Nur wenig Licht leuchtete die Fläche aus, der größte Teil des riesigen Raumes lag im Dunkeln.
Es ist wie in einer Kathedrale.
Als er den Blick von der Decke löste, entdeckte er das schwache blaue Pulsieren der Portale in der Ferne.
»Seht nur!«, rief Jenna neben ihm und deutete nach vorn. »Die Tore. Wir haben es geschafft!«
Mischa sagte kein Wort, als ob es seit seinem Gespräch mit Jeb keinen Grund für weitere Worte geben würde. Mary seufzte leise, aber auch sie hatte seit geraumer Zeit kein Wort mehr gesagt.
»Wir können diese Welt verlassen.« Jeb strahlte sie der Reihe nach an. »Endlich!«
Er blickte zu Mary. Es war deutlich zu erkennen, dass es ihr schwerfiel, den Ort hinter sich zu lassen, an dem León gestorben war.
»Mary?«, fragte Jenna zaghaft. »Bist du bereit?«
Mary nickte. Tränen standen in ihren Augen. »Ich brauche noch einen Moment.«
Jeb verstand, sie wollte sich verabschieden. Noch einmal an León denken und ihm nahe sein. Er schaute zu Mischa, dessen verschlossene Miene Jeb deutlich zu verstehen gab, dass sein Zorn von vorhin nicht nachgelassen hatte.
»Ist es in Ordnung, wenn wir noch warten, bis Mary so weit ist?«
Kalte blaue Augen schauten ihn an. »Ja, aber nur kurz. Ich will endlich von hier fort.«
Du hasst mich.
Die Erkenntnis ließ Jeb frösteln. Er warf einen kurzen Seitenblick zu Jenna, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, empfand sie genauso.
Eine Weile standen sie da und schwiegen. Jeb dachte an Tian und Kathy, die sie auch schon verloren hatten. Ihre Gruppe wurde unweigerlich immer kleiner. Und jedes Mal wurde es schwerer, einen von ihnen zurückzulassen. Das eigene Leben für das einer ihrer Kameraden. Die Regeln des Labyrinths waren unmenschlich und doch war ihnen noch kein Einfall gekommen, wie sie sich dagegen wehren konnten.
»Okay, wir können gehen«, sagte Mary schließlich.
Langsam setzten sie sich in Bewegung. Die Tore warteten
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