Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
Uns bleibt nur zu fliehen. Hier unten scheint keine Sonne und wir haben kein Feuer, um sie aufzuhalten.
Er fühlte die Waffe, die hinten in seinem Hosenbund steckte.
Vielleicht hält sie eine Kugel auf.
Aber worauf sollte man zielen, wenn das Gegenüber keine Konturen hatte. Trotzdem, es war die einzige Hoffnung. »Jeb?«, zischte er in die Dunkelheit.
Ein Röcheln.
»Verdammt, Jeb. Scheiße, wir haben keine Zeit. Schalt deine Taschenlampe ein.«
Der andere zögerte. »Sie ist mir aus der Hand gefallen.«
»Dios mio!«, schimpfte León.
Jeb hatte endlich seine Lampe wieder aufgehoben, aber sie funktionierte nicht mehr.
León leuchtete in die Gesichter der anderen und erschrak: Drei geisterhaft verzogene Fratzen schienen vor ihm zu stehen. Mary, Jenna und Jeb, denen das pure Entsetzen anzusehen war.
»Ihr habt sie alle gehört?«
Die anderen nickten. Stumm und verzweifelt.
»Wir müssen raus. Sofort. Hier unten kriegen sie uns früher oder später. An der Oberfläche haben wir eine bessere Chance.«
»Ich habe schon lange keinen Aufstieg mehr gesehen. Der letzte war in der Halle«, sagte Mary. Ihre Lippen bebten, während sie sprach.
»Wir folgen dem Gang weiter.« Jeb räusperte sich. Er schien sich wieder etwas gefasst zu haben. »Es hieß, wir würden früher oder später auf das alte Wasserwerk stoßen, das außerhalb des Gebietes der Muerte negra liegt.«
»Wenn wir uns nicht verlaufen«, warf Jenna ein.
»Ich gehe voran«, sagte León.
Er machte den ersten Schritt, als ein grauenhafter Schrei ertönte. Schüsse fielen.
Dann wieder das Wispern.
Dann Stille.
Sie hasteten durch die Gänge, so schnell es ging. León beleuchtete den Weg. Hinter ihnen erklangen furchtbare Schreie, von denen er nicht wusste, ob sie von den Seelentrinkern ausgestoßen wurden oder ob es das Kreischen sterbender Gangmitglieder war. Was sich da hinter ihnen auch abspielte, es musste grauenerregend sein. León beschleunigte sein Tempo.
Immer wieder trafen sie auf weitere Tunnel und Abzweigungen, bis sie schließlich einen entdeckten, durch den Wasser floss.
Das Wasser strömte durch eine tiefe Rinne, die links und rechts von schmalen Pfaden eingefasst war. Es war sauberes Wasser, also, so vermutete León triumphierend, kam es vom Wasserwerk. Wenn sie der Rinne folgten, würden sie früher oder später dorthin kommen.
Die Stege an den Seiten der Rinne waren zu schmal, um darauf laufen zu können. León versuchte es mehrfach, rutschte aber immer wieder ab. Schließlich stieg er in die Rinne. Das Wasser war eiskalt und er stöhnte kurz auf, es reichte ihm bis zu den Knien. Ab jetzt würden sie nur noch langsam vorankommen, denn die recht starke Strömung erschwerte das Gehen zusätzlich.
León verspürte bei all dem Wassergeplätscher wieder seinen brennenden Durst. Er bückte sich und schöpfte mit der hohlen Hand Wasser, das er hastig trank. Eiskalt rann es ihm die Kehle runter und machte aus seinem Magen einen Eisklotz. Aber es half. Auch wenn es nicht besonders sauber schmeckte, es löschte seinen Durst. Dann bespritzte er Gesicht und Nacken mit dem kühlenden Nass. Sofort fühlte er sich besser. Wacher. Bereit.
Er leuchtete den anderen, alle tranken und wuschen sich.
In diesem Wasserkanal war es still. Weder Schüsse ihrer Verfolger noch die Stimmen der Seelentrinker waren zu vernehmen. Lediglich das leise Gluckern des Wassers war zu hören. Die ganze Szene hatte etwas Friedliches, auch wenn sie hier tief unter der Erde waren. Abgeschlossen von dicken Mauern und tiefen Röhren … bald wären sie in Sicherheit, das spürte León.
Er wackelte zweimal mit der Taschenlampe, als Signal, dass sie weitergehen sollten, dann schritt er voran.
Von nun an ging es geradeaus. Der Boden hatte eine leichte Steigung, sodass das Wasser abfloss. Unermüdlich strömte es gegen seine Beine. Wenn das Licht der Lampe nur leicht darüberstrich, war es dunkel wie Tinte in der Nacht.
Während sie so voranstapften, forderte die Kälte des Wassers ihren Tribut. War es zunächst noch erträglich gewesen, so begann jetzt ein Kribbeln, sich in Leóns Füßen auszubreiten. Es schien so, als würde eine eisige Schicht seine Beine überziehen. Zehn Minuten später spürte er seine Füße nicht mehr. Taub, wie ein Fremdkörper bewegten sie sich mechanisch vorwärts, aber es war, als würde er durch zähen Schlamm waten. Hinter ihm klapperte Jenna mit den Zähnen. Mary und Jeb gaben keinen Laut von sich.
Wie lange können wir so
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