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Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich

Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich

Titel: Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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legen, wenn ich den Weg zurück renne, noch mal weniger, und um euch dann einzuholen, brauche ich knapp zwanzig Minuten. Wenn ich mich beeile, bin ich bald wieder bei euch.«
    »Wir haben kein Licht. Du hast die einzig funktionierende Lampe und brauchst sie auch, sonst bist du zu langsam«, meinte Mary. Jeb und Mary schauten skeptisch, während León den Plan vervollständigte.
    »Dann nehmt ihr das Feuerzeug.« León reichte es Jenna. »Wenn ihr vorsichtig seid, reicht euch das Licht.«
    »Dann mal los, wir sollten keine Zeit verlieren«, sagte Jeb. Er ging zu León und klopfte ihm ermutigend auf die Schulter. »Bis gleich.«
    »Ja, bis gleich.«
    Jenna nickte ihm zu und wandte sich dann ab, sie wollte León und Mary sich allein verabschieden lassen. Mary trat vor ihn und umarmte ihn fest. Jenna hörte Leóns Worte: »Mach dir keine Sorgen.« Dann vernahm sie seine Schritte im Gang und Jenna und Mary sprangen Jeb hinterher in das eiskalte Wasser.
    Er fröstelte. Noch mehr als im Wasser. Verdammt, war ihm kalt.
    Das sind nur die Nerven, sagte er sich. Du bist angespannt. Die Dunkelheit und der Gedanke, allein zu sein, machen dir Angst. León biss die Zähne aufeinander und mahlte mit den Kiefern.
    Vor ihm tanzte der Lichtstrahl der Taschenlampe über den Boden. Hin und wieder raschelte es und einmal hörte er ein leises Fiepen. Er wusste, das waren nur die Ratten, die vor ihm flohen, dennoch kroch ihm eine Gänsehaut über den Rücken.
    Er hatte vorgehabt zu rennen, um Zeit zu sparen, aber dafür waren seine Muskeln zu steif. So schnell es ging, tappte er mit den beinahe erfrorenen Füßen durch den Tunnel. Er dachte an Mary, an ihren Blick, als sie sich verabschiedet hatten, und ihre Lippen an seinem Ohr. Es waren Minischritte, die er und Mary machten, und so viel blieb ungesagt zwischen ihnen. Er wusste nicht, wie er Mary begegnen sollte, nach allem, was noch ungesagt zwischen ihnen stand, aber je länger er an sie dachte, desto wärmer wurde ihm. Es war eine Wärme, die tief aus seinem Innersten zu kommen schien und ihn mit Hoffnung erfüllte. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er wieder ein Ziel, einen Zweck, eine Bestimmung.
    Für einen Moment blieb er stehen und leuchtete den Weg zurück. Deutlich sichtbar im Staub zeichneten sich seine Fußabdrücke ab, die aber mit jedem Schritt blasser wurden.
    Zufrieden ging er weiter.
    Die Bilder der Vergangenheit drängten herauf. Er sah sich selbst im Barrio. Als Kind, als junger Mann. Antónia, das Mädchen mit den wippenden Zöpfen, die ihm mit zwölf den ersten Kuss geschenkt hatte.
    Aber da waren auch Bilder von Hass und Gewalt. Der Tod ging um im Barrio, er gehörte zum Leben wie das Atmen und es traf Gangmitglieder, Drogensüchtige oder Prostituierte gleichermaßen, Freund und Feind.
    Wer das Pech hatte, in dieses Viertel hineingeboren zu werden, lernte den Tod unweigerlich kennen. Vom ersten Atemzug an war er da, bei dir, blickte über deine Schulter und lenkte die Hand, in der man die Waffe hält. Und gleichzeitig war er ein Verräter, der heute den einen begünstigte, nur um ihn morgen zu verraten und die Hoffnung auf ein besseres Leben zu rauben.
    Plötzlich zuckte León zusammen und fuhr sich mit den Händen über die Arme, um die Gänsehaut glatt zu streichen. Hatte ihn da etwas berührt? Er blieb kurz stehen und lauschte. Nichts. Mischas Bericht von der Begegnung mit den Seelentrinkern fiel ihm ein, er hatte Lähmungserscheinungen gehabt. León hatte ihm nicht geglaubt, nun schlenkerte er instinktiv seine Arme, bewegte den Kopf zur Seite, schüttelte seine Beine aus. Trotzdem meinte er immer noch, eine eiskalte Berührung an den Armen zu verspüren. Er blickte sich um und leuchtete mit der Taschenlampe hinter sich. Nichts zu sehen, nichts zu hören.
    Er lächelte bitter. Wurde er jetzt doch noch verrückt? Dann dachte er an seine Ankunft im Labyrinth, um sich abzulenken. Die erste Welt. Ihre Flucht. Er versuchte zum wiederholten Mal vergeblich herauszufinden, was ihn dorthin gebracht hatte.
    Und dann war da Mary.
    Immer wieder Mary.
    Ihre Schwäche, die gleichzeitig ihre Stärke war. Ihr Lächeln, als sie nachts am Feuer saßen. Das vor Anstrengung gerötete Gesicht beim Marsch durch die glühende Ebene. Mary, auf die Schneeflocken herabtanzten. Mary vor dem letzten Tor und Marys Blick, als sie ihn zum ersten Mal wirklich angesehen hatte.
    Irgendetwas war mit ihm geschehen, sodass er sein Einzelgängertum nicht mehr länger aufrechterhalten konnte. Er war

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