Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
Körper.
Mit einem Mal war er unendlich müde. Dieser ständige Kampf laugte ihn aus, er wollte nicht mehr weitermachen. Die äußerliche Härte, die er die anderen hatte spüren lassen, hatte ihn für eine gewisse Zeit stark und unbesiegbar gemacht. Jetzt war diese rettende Hülle angeknackst und durch den Riss kamen Verletzlichkeit, Erschöpfung und unaufhaltsam das Sterben. León war sich bewusst, dass ihn diese Wunde töten würde, sollte sie nicht bald medizinisch behandelt werden. Wahrscheinlich würde er verbluten, er wusste nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb.
Mary! Er musste zu ihr. Wenigstens sie beschützen. Er sah den dunklen Tunnel auf und ab. Sein Plan, die Muerte negra auf eine falsche Fährte zu locken, war grandios gescheitert, und wo einer von ihnen war, da waren sicherlich auch andere und sie alle hatten die Schüsse gehört.
Ein Gutes hat die Sache, es lenkt die Muerte negra von den anderen ab.
Aber er, ja, er selbst würde sie wieder auf die richtige Spur führen. Die Gang müsste nur den Blutspuren folgen, die er zweifellos hinterlassen würde. Sobald er die Wasserrinne erreichte, würden diese Spuren verwischt werden, aber dann konnten sich die Verfolger mühelos zusammenreimen, in welche Richtung er gegangen war.
Fieberhaft überlegte León, was er tun konnte. Es galt, Mary zu beschützen und Jeb die Chance zu geben, die beiden Mädchen in Sicherheit zu bringen, aber irgendetwas musste er doch tun können, um die Feinde abzulenken. Dann fiel es ihm ein.
Er blickte zu dem toten Jungen.
Ich brauche sein Shirt, um die Blutung zu stillen.
Er hatte jetzt zwei Pistolen. Allerdings gab es hier keine Deckungsmöglichkeiten und keinen Schutz. Wenn es so weit war, musste er wie ein Verrückter um sich schießen und das Beste hoffen. Vor allem aber durfte er jetzt nicht noch mehr Zeit verlieren.
Mit wenigen Schritten ging er zu dem Toten hinüber.
»Lo siento«, entschuldigte er sich leise, dann streifte er das Shirt über den Kopf des anderen und stopfte es sich hinten in die Hosentasche, dorthin, wo kein Blut es erreichte.
Noch einmal holte er tief Luft.
Dann ging er los.
In den Tunnel hinein.
Weg von dem Jungen, den er getötet hatte.
Weg von Mary, Jenna und Jeb.
H abt ihr das gehört?«, fragte Mary alarmiert.
Die Frage war überflüssig. Natürlich hatten sie es gehört. Das Knallen der Schüsse hallte noch immer durch das Tunnelsystem. Die beiden ersten Schüsse hatten fast wie ein einziger geklungen, der dritte fiel kurz danach.
»León«, hauchte Mary entsetzt.
»Das muss nicht ihm gegolten haben.« Jenna wusste genau, wie kläglich es klang. »Wer weiß schon, was die hinter uns alles abknallen. Und die Seelentrinker …«
»Red keinen Scheiß, Jenna«, fauchte sie Mary an und Jenna wich erschrocken zurück. Marys Gesicht wirkte im Lichtschein des Feuerzeugs wie eine bleiche Maske. »Wenn es León erwischt hat … Ich gehe zurück, er braucht mich.«
»Nein, Mary«, mischte sich nun auch Jeb ein. »Du bleibst bei uns. León wird uns einholen. Wir warten auf ihn.«
»Aber was, wenn er … Er darf jetzt nicht allein sein!«
»Du kannst nichts für ihn tun!«
»Aber er muss das nicht allein durchstehen. Er darf nicht …«
»Mary, mach keinen Unsinn«, sagte Jenna. »León ist ein Kämpfer. Er wird uns finden. Wir sollten weiter, sonst war sein Einsatz umsonst. Er hätte es gewollt.«
Marys entschlossener Blick flackerte. Oder war es nur das Flackern der kleinen Flamme des Feuerzeugs?
»León würde das nicht wollen«, sagte Jenna noch einmal ruhig. »Er ist zurückgeblieben, um uns Zeit zu verschaffen. Er riskiert sein Leben, um die Verfolger in die Irre zu führen, und wenn du jetzt zurückgehst, machst du alles kaputt. Er wird kommen.«
»Schwör mir das!«, verlangte Mary unsinnigerweise. »Schwör mir, dass er kommt, und wenn er es nicht tut, dass du ihn suchen gehst und ihn zu mir bringst. Schwör mir das bei deiner Liebe zu Jeb.«
Jenna zögerte keinen Moment. »Ich schwöre es.«
Mary sah sie ernst an. Sie schien vollkommen ruhig, aber eine eiskalte Hand griff nach Jennas Herz, als Mary sagte: »Wenn du dein Wort brichst, Jenna, wird es das Letzte sein, was du in diesem Leben tust.«
Jenna konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sie versuchte doch nur, Mary zu helfen. Natürlich war Mary verwirrt, verängstigt, ihre Sorge um León ließen sie Dinge sagen, die sie nicht so meinte. Trotzdem machte sie die Sache sprachlos.
»Versuch’s erst gar nicht, Mary«,
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