Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
Unzurechnungsfähigkeit plädieren. Wir könnten alles Mögliche machen. Aber ich will nicht mit ihm streiten. Komischerweise läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich kann nur noch an den Schampus und die Cocktailhäppchen in der Champagnerbar denken. Und ich frage mich, ob sie bei Schuhqual wohl ein neues Sortiment haben. Soll ich dahin zuerst gehen? Oder lieber zu ...
»Hallo? Rhoda?« Dan sieht mich an, als hätte er gerade vergeblich versucht, meine Aufmerksamkeit zu wecken.
»Äh, ja?«
»Du hast geträumt.«
»Sorry. Was hast du gesagt?«
»Wir könnten uns dort verstecken. In dem anderen Einkaufszentrum ... und zurückkommen, wenn Gras über die Sache gewachsen ist. Es muss ja nicht für immer sein.«
»Sicher«, spiele ich mit. »Glaubst du, wir sollten wenigstens deiner Mutter Bescheid sagen? Ich meine, falls wir zum anderen Einkaufszentrum gehen ...«
» Wenn wir gehen«, korrigiert er. Seine Finger spielen an der Wunde in seinem Hinterkopf herum.
»Okay. Wenn wir gehen.«
»Sie wird’s schon verkraften.« Er senkt den Blick. Ende der Unterhaltung.
Ich drücke die Kippe aus und stehe auf. Dan folgt mir hinaus auf den Korridor.
»Okay«, versuche ich, mich selbst zu überzeugen. »Da hinter der Ecke werden wir diese abgedrehten Schaufensterpuppen sehen. Weißt du noch?«
Dan grinst mich an. »Wie könnte ich die vergessen? Gehen wir!«
Wir laufen auf die Biegung zu, werden immer schneller, als könnten wir es nicht erwarten, ans Ziel zu kommen.
»Wer zuerst da ist!«, ruft Dan.
Wir schlittern um die Ecke und bleiben wie angewurzelt stehen.
»Scheiße«, keucht Dan. Er klingt enttäuscht. »Sie sind weg.«
»Was du nicht sagst.«
Ich gehe auf das Notausgangsschild am Ende des jetzt leeren Korridors zu. Unterwegs bleibe ich stehen, um etwas aufzuheben, das unter einer der Neonröhren liegt. Es ist einer dieser furchtbaren falschen Fingernägel, lackiert in einem grellen, widerlichen Rosa. Ich lasse ihn fallen und wische mir die Hand an der Hose ab.
»Okay.« Ich zucke die Schultern. »Nichts Mysteriöses. Offensichtlich hat sie jemand weggeräumt.«
»Aber wer?«
»Wie soll ich das wissen, verdammt? Die Wege des Managements sind unergründlich.« Ich grinse ihn an, und er lächelt schmallippig zurück.
Wir wollen gerade das Treppenhaus betreten, als mein Handy piept. Wir erstarren beide.
»Es geht los«, sage ich.
Meine Hände zittern, als ich das Telefon aus der Tasche ziehe.
Dan beobachtet mich gespannt, als ich die Nachricht öffne.
»Fuck!«
»Was ist?«
»Es ist Zinzi. Sie fragt, ob sie sich mein verficktes Kleid ausborgen kann.«
»Oh.«
Trotz der Probleme, die uns diese Textnachrichten beim letzten Mal beschert haben, verspüre ich einen Stich der Enttäuschung.
»Gehen wir«, sage ich und halte ihm die Tür auf.
»Meinst du, wir sollten diesmal direkt zum Markt gehen?«
»Natürlich. Das könnte eine Abkürzung sein.«
»Ich bin nicht besonders scharf darauf, diese grässliche alte rattenfressende Hexe wiederzusehen.«
»Entspann dich. Wir werden schon mit ihr fertig.«
Ich eile die Treppe hinunter, wie gewohnt immer zwei Stufen auf einmal. Mir wird bewusst, dass meine Ohren angestrengt darauf lauschen, ob uns etwas folgt – dieser alte tollwütige Irre zum Beispiel. Aber alles, was ich höre, sind Dans Schritte und unser kollektives Keuchen.
»Findest du nicht auch, dass es anders aussieht?«, frage ich.
»Wie anders?«
»Ich weiß nicht.« Aber die Treppe sieht nicht nur anders aus, sie fühlt sich auch anders an. Es riecht hier, wie es auf einer Betontreppe immer riecht – nach Feuchtigkeit und Urin –, aber beim letzten Mal stank es auch nach etwas Fischigem und Abgestorbenem. Und das Licht wird nicht schwächer, je tiefer wir kommen.
»Okaaaay«, meine ich. »Sind wir eventuell irgendwo falsch abgebogen?«
Die Stufen enden nicht mitten in der Luft. Sie führen ganz bis nach unten, und statt eines schwarzen Tunnels, in dem es von Ratten wimmelt, stoßen wir auf eine nichtssagende graue Tür.
»Ich weiß nicht«, erwidert Dan. »Vielleicht haben sie die Treppe fertig gebaut, seit wir das letzte Mal hier gewesen sind.«
»Ja, kann sein.«
Aber die Tür ist ramponiert und verdreckt, die Farbe ist zerkratzt und blättert ab. An den Scharnieren kann man sogar Rost erkennen.
Und da ist noch etwas.
»Ich bin mir sicher, dass wir beim letzten Mal viel tiefer waren«, überlege ich. »Es kam mir vor, als ob die Treppenstufen nie aufhören. Weißt du
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