Labyrinth der Spiegel
hässlicher sein müssen.
»Wohin willst du?«, setze ich das Verhör fort, wobei ich um den Hobbit herumgehe. Der dreht sich um sich selbst und versucht, mich im Auge zu behalten.
»Ich jage eine Armee.«
»Welche Armee?«
»Die Elbenarmee. Wir ziehen gegen die Orks und Zwerge!«
»Weshalb?«
»Die sind doch böse!«
Ich hege den immer stärkeren Verdacht, dass im Körper dieses Hobbits ein Kind hockt. Ein Erwachsener hätte sich doch ein besseres Argument einfallen lassen. Und sich außerdem längst in den Kampf gestürzt.
»Die Armee …«, brumme ich nachdenklich. »Ach ja, jetzt fällt’s mir wieder ein! Ja, die ist hier lang gekommen.«
In den Augen des Hobbits spiegelt sich blankes Entsetzen wider. Er linst auf die Feuerpeitsche und zweifelt
nicht im Geringsten an dem traurigen Schicksal, das die Elbenarmee ereilt hat.
»Ich habe gehört, dass ihr Hobbits Beuteltiere seid«, fahre ich fort. »Ist das richtig?«
Der Hobbit schüttelt heftig den Kopf und presst die Hände vor seinen Bauch.
»Hast du was zu futtern?«
Der kühne Hobbit reicht mir seinen Rucksack. Ich entdecke in ihm ein Fladenbrot, eine Flasche und ein Stück Dörrfleisch. Das stimmt mich milder.
»Du hast dir einen hübschen Vorrat zugelegt, Hobbit … Und was ist das?«
Aus den Tiefen des Sacks befördere ich ein Snickers zutage.
Der Hobbit fängt prompt an zu heulen. Keine Frage, das ist mit Sicherheit ein Kind.
Mit den Zähnen reiße ich die Verpackung des Schokoriegels auf, beiße die Hälfte ab und gebe die andere Hälfte dem Halbling zurück. Daraufhin hört er auf zu weinen.
»Was meinst du, werdet ihr die Zwerge vernichten?«, widme ich ihm wieder meine Aufmerksamkeit. Ich kann ihn schließlich nicht einfach ausrauben und dann stehenlassen. Ich muss doch wenigstens mit ihm reden, oder?
»Unbedingt!«, antwortet der Hobbit. »Sie machen Pfeile aus Eibenholz, aber Eibenholzpfeile taugen nichts! Außerdem bauen sie unterirdische Hallen, und unterirdische Hallen taugen auch nichts.«
Ich verspüre nicht den leisesten Wunsch, genauer in die Details der Unstimmigkeiten zwischen Elben und Zwergen einzudringen.
»Ist es weit bis zur Stadt?«
»Lórien ist fünf Meilen entfernt.«
Irgendwas stimmt bei denen mit der Geografie nicht … Aber das kann mir auch egal sein. Ich muss wissen, wie der Server heißt.
»Und wer herrscht in euerm Land?«
»Der edle Elb Legolas!«
Sehr schön, diese Info dürfte reichen.
»Geh!«, sage ich und schultere den Rucksack des Hobbits.
Harding protestiert nicht gegen den Diebstahl. Mehr noch, er fragt schüchtern. »Darf ich vielleicht mit euch mitkommen, Conan? Die Zwerge kriegen auch ohne mich ihr Fett ab!«
Das hätte mir gerade noch gefehlt. Sofort setze ich wieder eine fiese Miene auf. »Ist dir eigentlich klar, dass ein Hobbit nicht nur wertvolles Fell bedeutet?«, fauche ich. »Sondern auch noch dreißig, vierzig Kilo leckeres, gut verdauliches Fleisch?«
Die Bücher lügen nicht. Hobbits können wirklich sehr schnell rennen. Nur die behaarten Füße flimmern noch im Schneestaub auf.
Als ich zu Vika und dem Loser zurückkehre, bin ich bester Laune. Die beiden haben das Gespräch mitangehört, ich brauche ihnen also nicht alles zu erzählen.
»Hier ist was zu essen.« Ich reiche dem Loser den Rucksack. »Vika und ich bereiten dir jetzt ein Lager und verlassen dann die Tiefe . Aber wir kommen wieder, über Lórien, ganz legal und mit normaler Ausrüstung. Dann holen wir dich hier raus. Abgemacht?«
Der Loser nickt.
»Wenn du hier drei, vier Stunden auf uns wartest …«, überlege ich. »Das ist doch nicht schlimm, oder?«
Selbst wenn, wir haben keine andere Wahl. Halbnackt würde ich ihn keine fünf Meilen durch den Schnee schleppen können.
Unter einer alten Tanne richten Vika und ich ein Lager aus Zweigen für den Loser her und betten ihn darauf. Ich hole die Flasche aus dem Rucksack. Sie enthält Alkohol, wenn auch keinen hochprozentigen. Bei echtem Frost würde er niemanden wärmen, aber bei virtuellem dürfte es schon klappen.
»Tauchen wir auf?«, frage ich Vika. »Treffen wir uns in drei Stunden … sagen wir am Eingang zu Lórien.«
Sie nickt. Und schon im nächstem Moment schmilzt ihre Figur in der Luft.
»Bis gleich, Loser«, sage ich.
Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
100
Länger hätte ich mir mit dem Auftauchen nicht Zeit lassen dürfen. Die Uhr zeigte Viertel vor zehn morgens.
»Schließe Deep!«, befahl ich Windows Home, bevor ich einen
Weitere Kostenlose Bücher