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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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zurückzulassen. Und die Tatsache, dass die Berge nicht echt sind, ändert daran nicht das Geringste.
    »Gehen wir zu der Formation da drüben«, schlage ich vor.
    »Von der habe ich heute Nacht geträumt«, sagt Vika.
    Uns reicht ein Blick, um uns zu verständigen.
    Die Irrealität kennt keine Gesetze.
    Traum oder Wirklichkeit – wir beide steigen gemeinsam zu dem gefallenen Stern hinunter.

11
    Die Felsformation passt wirklich nicht zu diesem Tal. Ein Gletscher mag einen Rollstein verschieben, aber nicht einen solchen Koloss.
    »Sieht fast aus, als sei das ein Ausgang in einen anderen Raum«, bemerkt Vika und sieht mich an. »Schaffst du es noch bis dahin?«
    Ich nicke, auch wenn ich kaum noch die Kraft habe, den Loser zu tragen. Aber auf diese Kleinigkeiten nehme ich jetzt keine Rücksicht.
    »Wenn das Programm an dieser Stelle auf einen anderen Server zugreift«, überlegt Vika, »dann ist das ein Kanal in nur eine Richtung. Gut, damit können wir diesen Raum verlassen … aber ob das auch ein günstiger Fluchtweg ist?«
    »Notfalls haben wir ja noch den Warlock«, werfe ich ein. Aber selbst ich höre aus meiner Stimme keine Überzeugungskraft heraus. Ich will nicht wieder durch blaue Tunnel fallen. Dazu habe ich unterwegs zu seltsame Bilder gesehen.
    »Gut, versuchen wir’s. Vielleicht täuschen wir uns und es gibt hier überhaupt keinen Ausgang.« Vika seufzt und
geht voran. Ich stapfe ihr hinterher. Der Loser schweigt. Vielleicht fühlt er sich ja – zu Recht! – schuldig, vielleicht will er uns bloß nicht nerven. Auch das wäre ein kluger Gedanke seinerseits.
    Wir wandern einen Pfad hinunter, der immer enger wird. Irgendwann lege ich den Kopf in den Nacken, um mir über die Höhe der Felsformation klarzuwerden. Sie ist wesentlich höher, als ich bisher vermutet habe.
    Was mir Hoffnung gibt.
    Schon bald können wir nicht mehr nebeneinander laufen. Ich gehe jetzt seitlich weiter, damit sind die Chancen größer, dass das gebrochene Bein des Losers nicht über den Felsen schrammt. Vielleicht hätte ich die geflügelten Latschen anziehen sollen, eine Idee, die mir jedoch zu spät kommt, denn inzwischen kann ich mich nicht mehr bücken. Vor mir schimpft Vika halblaut vor sich hin, auch für sie ist es nicht leicht. Gemein, wie ich bin, schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass Madame mit ihrer etwas üppigeren Figur längst feststecken würde.
    Es wird immer kälter. Von irgendwoher dringt eisiger Wind in die Felsspalte. Das ist gut! Das ist verdammt gut!
    »Ljonja!«, presst Vika heraus. »Da!«
    Vor uns schimmert ein Lichtpunkt, dann schiebt sich Vikas Silhouette davor. Sie macht einen Schritt – und ist weg. Ich gehe hinterher. Bei den letzten Schritten reibe ich doch noch mit dem Körper des Losers über die Felsen, worauf dieser leise aufstöhnt.
    Der Felsspalt führt uns an einen seltsamen Ort.
    Auch hier sind Berge, aber andere, völlig verwilderte. Als ob es in ihnen früher einmal Leben gegeben hätte –
das dann vernichtet worden ist. Dämmerlicht empfängt uns. Wahrscheinlich ist es Tag, doch am Himmel hängen bleischwere Wolken. Schneeregen geht träge nieder. Verödung und ein stummer Schmerz prägen das Ambiente. Weiter unten schlängelt sich zwischen den schwarzen Reißzähnen der Felsen ein Pfad entlang.
    »Wo sind wir?«, fragt Vika leise. »Was meinst du, Ljonja?«
    Ich sehe mich um. Okay, wir sind mit Sicherheit in einem anderen Raum gelandet. Und ich glaube, ich kenne ihn.
    »Elben«, antworte ich. »Das ist ein Server für ein Rollenspiel. Sie spielen hier.«
    »Wie im Labyrinth?«, mischt sich der Loser ein.
    »Nein, anders.«
    »Wir kommen garantiert nicht weit«, knurrt Vika. »Entweder erfrieren wir oder die Elben erschießen uns im Vorbeigehen.«
    »Ich erfriere mit Sicherheit gleich«, murre ich. Mein Hemd ist für die Riemen draufgegangen, mein Jackett habe ich in einem Anfall von Leichtsinn weggeschmissen.
    »Stell dich nicht so an! Immerhin beschert uns dein nackter Oberkörper einen unvergesslichen Eindruck«, stichelt Vika. Sie hat gut reden, schließlich hat sie ihr Sweatshirt an. Und der Loser steckt in einem Tarnanzug, der hält ebenfalls ziemlich warm.
    »Wenn es hier jemanden gäbe, den ich beeindrucken könnte.« Ich strecke die Hand aus. »Siehst du den Pfad da unten, Vika? Lass uns da hin. Vielleicht finden wir da Menschen.«

    »Elben.«
    »Menschen, Elben oder Zwerge. Wen auch immer.«
    Der Schnee reicht mir fast bis zu den Knien, so dass wir nur langsam

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