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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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erinnern.
    »Wir müssen zum Stadttor«, hält Vika fest.
    Wir schlendern die weißen Wege entlang und erfreuen uns an der Landschaft um uns herum. Die Luft ist frisch und angenehm, ein leichter Frost zwickt mich. Allerdings schneit es nicht, offenbar vertreibt die Elbenmagie die Wolken. Kaum hörbar dringt mittelalterliche Musik zu uns herüber. Schade, dass wir kaum jemandem begegnen. Anscheinend sind bereits alle aufgebrochen, um die Orks und die Zwerge fertigzumachen.
    Unter einem der schneeweißen Bäume hat jemand ein Lagerfeuer gemacht und einen Schleifstein aufgestellt. Ein kräftiger Mann mit Bart versucht gerade, unter dem strengen Blick eines Elben ein Schwert zu schärfen.
    »Geht nicht vorbei, Wanderer!«, ruft uns der Elb zu. Wir bleiben stehen. »Seid ihr zum ersten Mal hier?«
    Vika nickt.
    »Sind wir nicht zufällig verwandt, o Hochgeborener?«, will der Elb von Vika wissen.

    »Nein, verehrter Bruder, denn ich bin elfischer Natur«, entgegnet Vika. »Kannst du uns sagen, wie wir zum Stadttor gelangen? Wir müssen der Armee nachjagen.«
    »Euer Können ist nicht sehr hoch«, gibt der Elb mit düsterer Miene zu bedenken. »Lernt besser erst von mir, wie man ein Schwert schleift. Das dauert nur drei Stunden, würde euch aber fünf Skill-Punkte einbringen!«
    Toll! Einen inexistenten Schleifstein zu bewegen, um ein inexistentes Können zu erlangen!
    »Wir haben es eilig«, lehnt Vika ab.
    »Dann klettert auf den Malorne hier.« Der Elb deutet mit dem Kopf auf einen der Bäume. »Sechs Stunden auf den Leitern, und ihr kriegt je sieben Punkte für Stärke und Ausdauer!«
    Vermutlich langweilt sich der Elb einfach. Sein Schützling am Schleifgerät dürfte seine fünf Skill-Punkte bald erworben haben, danach wird der Elb wohl allein hier rumsitzen müssen.
    »Deine Rede zu hören ist ein Vergnügen, o hochwohlgeborener Elb«, tönt Vika. »Doch müssen wir uns unverzüglich in den Kampf stürzen!«
    »Dann geht halt hier lang!« Der Elb winkt missmutig mit der Hand ab und fällt über den Schützling am Schleifstein her. »Und das nennst du schärfen? Hä? Was soll das werden, ein Tafelmesser? Das lass ich nicht gelten!«
    Wir verdrücken uns schnell in die genannte Richtung. Die haben hier knallharte Regeln.
    Dadurch hat der Zauber Lóriens etwas gelitten.
    »Und ich hab gedacht, die würden hier nur mit den Schwertern fuchteln«, flüstert Vika erstaunt.

    »Nein. Sie lernen auch noch die Elben- und die Zwergensprache, schärfen Schwerter und Dolche, studieren die Wirtschaft des Mittelalters, schaffen Balladen und Legenden.«
    »Sind ja echt nützliche Kenntnisse!«
    »Du willst den Rollenspielern doch wohl nicht die Freiheit absprechen, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen?«, stichle ich.
    »Nein, natürlich nicht, das ist ihr gutes Recht.« Vika geht nicht auf die Provokation ein. »Aber schade ist es doch. Schon wieder nur Kaugummi fürs Hirn.«
    »Was erwartest du eigentlich von einer Subkultur? Immerhin spritzen die hier kein Heroin und zetteln keine Revolution an.«
    »Ljonja, ich träume ganz bestimmt nicht davon, dass alle gleich sind. Soll jeder dem Hobby nachgehen, das ihm Spaß macht. Nur warum endet es immer im Eskapismus? In einer Flucht vor dem Leben?«
    »Als ob das Sammeln von Briefmarken, Pokern, die große Politik oder die kleinen Kriege mit den Nachbarn nicht auch eine Flucht vor dem Leben wären! Es gibt eben keine allgemein anerkannten Werte mehr in unserer Welt. Deshalb muss man sich winzig kleine Ziele stecken. Und ihnen sein Leben opfern.«
    »Wie beim Kommunismus?«
    »Warum nicht? Das ist ein schönes und großes Ziel. Und sein Leben dafür zu opfern hat Tradition.«
    Der kühne Elf MacKrele sieht mich mit traurigem Blick an. »Sag mal, Ljonja … Sedativum … hast du ein Ziel in deinem Leben? Wenigstens irgendeins? Nicht bloß ein-, zweitausend
Dollar zu machen oder mit Freunden in einem Restaurant deinen Spaß zu haben – sondern wirklich ein Ziel?«
    »Ja«, antworte ich.
    »Und welches? Oder ist das ein Geheimnis?«
    Ich schweige kurz. »Ich würde gern nach Hause kommen und nicht den Schlüssel aus der Tasche holen müssen.«
    Vika weicht meinem Blick aus.
    »Das ist ein sehr kleines und absurdes Ziel«, gebe ich zu. »Das ist noch weniger, als inexistente Schwerter zu schleifen … oder Psychopathen im virtuellen Raum zu studieren. Vom Kommunismus und der Weltrevolution ganz zu schweigen. Aber ich würde einfach gern an der Tür klingeln … und dann macht mir

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