Labyrinth der Spiegel
und schmale von der Scheide.
Und hier hat die Truppe Rast gemacht. Links vom Weg ist der Schnee festgestampft, rechts nur leicht berührt.
Klar, Elben! Die haben einen derart leichten Gang, dass sie kaum Spuren hinterlassen. Bestimmt haben die beiden Teile der Armee hier ihre Instruktionen erhalten.
In der Realität wäre der Weg von fünf Meilen ziemlich lang. Da Rollenspieler jedoch nicht unbegrenzt viel Geld haben, um die Strom- und Telefonkosten zu stemmen, und daher nicht ihren Feinden erst monatelang hinterherrennen können, ist die Strecke mit wundersamer Schnelligkeit überwunden.
Wahrscheinlich haben sich die Rollenspieler darauf geeinigt, dem Phänomen einen Zauber zuzuschreiben.
Wir klettern an den Felsen hoch und wandern den geschlängelten Pfad entlang. Ein paarmal meine ich schon, die Stelle wiederzuerkennen, wo ich vor kurzem den Hobbit erschreckt habe, aber nein, Fehlanzeige. Der Weg ist bloß ziemlich schlampig designt, seine Einzelelemente mehrfach verwendet.
Irgendwann entdeckt Vika Spuren, die vom Weg in einen kleinen Tannenwald hineinführen. Wir haben den Loser schlecht versteckt. Jeder Soldat, der etwas hinter der Armee zurückgeblieben wäre, hätte ihn entdecken können. Ohne uns abzusprechen, legen wir einen Zahn zu. Was, wenn er nicht mehr da ist?
Aber der Loser ist da – und nicht allein.
Er sitzt gegen einen Baumstamm gelehnt, spricht mit dem kleinen Hobbit und nimmt einen Schluck aus der Flasche. Der Hobbit hockt vor ihm und lacht aus vollem Hals. Bei unserem Anblick springt er auf und zieht seinen kleinen Dolch.
Alle Achtung. Dieser kleine Kerl ist mutig. Zumindest wenn hinter ihm ein hilfloser Mensch sitzt.
»Wir sind Freunde!«, versichert Vika und hebt die Hände. »Wir kommen in friedlicher Absicht!«
»Ich bin der Heiler Sedativum«, unterstütze ich sie. Ob der Loser uns erkennt?
»Hallo, Ljonja«, sagt er und lächelt.
»Ich bin Harding!«, erklärt der Hobbit und steckt sein Schwert weg. »Habt ihr zufällig Conan gesehen? So ein großer Kerl mit einem Feuerschwert.«
»Dieser Conan hat den Jungen ausgeraubt«, weiht uns der Loser in ernstem Ton ein.
»Also, so schlecht ist er nun auch wieder nicht!«, ergreift der Hobbit überraschend für Conan Partei. »Immerhin hat er dem Alien all meine Vorräte gegeben! Er hat nämlich begriffen, dass er sie dringender braucht!«
»Wem?«, fragen Vika und ich unisono.
»Dem Alien«, wiederholt der Hobbit arglos. »Ihm hier. Er hat sich das Bein gebrochen.«
Hört, hört.
Ich gehe zum Loser, nehme ihm die Schiene ab und breite den Inhalt meiner Heilertasche im Schnee aus. Wie ich in dieser fiktiven Welt etwas heilen soll, ist mir schleierhaft.
»Du heißt also Alien?«, frage ich. Der Loser schweigt.
Als ich eine der Dosen öffne, schlägt mir der Gestank einer Salbe entgegen. Ich schiebe das Hosenbein hoch und schmiere den Loser dick mit der grünen Paste ein. Nach kurzer Überlegung packe ich noch trockene Blätter
aufs Bein. »In fünf Minuten ist der Bruch wieder zusammengewachsen«, verkünde ich.
Die ganze Sache ist im Grunde ausgesprochen simpel: Ich verfüge in dieser Welt über die Fähigkeit, Wunden zu heilen, und der Loser hat ein gebrochenes Bein. Nachdem ich also die Tasche geöffnet und einen Teil ihres Inhalts für das Bein des Losers geopfert habe, muss der Rechner, über den Lórien und Umgebung laufen, den Avatar vollständig wiederherstellen.
»Und wenn es nicht hilft?«, fragt Harding neugierig.
»Dann werden wir … deinen Freund … bis zur Stadt tragen.«
»Danke«, sagt der Hobbit ehrlich erleichtert. »Ich habe nur drei Stärkepunkte, da würde ich das nicht schaffen.« Er zögert kurz, dann fragt er: »Schafft ihr das denn?«
»Natürlich.«
»Kann ich dann gehen? Zurück in die Stadt? Ich bin nämlich schon ziemlich lange hier, sonst kriege ich noch einen Rüffel.«
Mit Sicherheit ist das ein Kind.
»Lauf nur«, fordere ich ihn mit leicht schlechtem Gewissen auf.
Harding trabt den Pfad entlang. »Aber hütet euch vor Conan!«, ruft er noch. »Mit dem ist nicht zu spaßen!«
»Conan, der Schrecken aller Hobbits!«, flüstert mir Vika ins Ohr.
»Hör auf!«, bitte ich sie. »Mir ist das schon peinlich.«
Schweigend lassen wir die fünf Minuten verstreichen. Wir müssen erst mal das Ergebnis der Behandlung abwarten,
bevor wir mit dem Loser darüber reden, wie es weitergeht.
»Steh mal auf!«, verlangt Vika.
Der Loser belastet unsicher das Bein und steht auf. Er macht erst einen
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