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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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ich. »Mit der Figur Nr. 7. Dem Heiler.«
     
    Ich kenne drei Persönlichkeiten von Romka. Mit dem Wolf sogar vier. Aber heute tritt er in einer neuen in Erscheinung: Vor mir steht ein dürrer junger Typ mit Brille und Zottelmähne. Er lehnt mit unstetem Blick an der Bar und erinnert in keiner Weise an den gepflegten Roman. Ich erkenne ihn nur, weil er in einem Zug sein Glas mit Pfefferwodka leert.
    »Romka?«
    »Ljonja?«
    Wir begrüßen uns per Handschlag.
    »Willst du was trinken?«, fragt Romka.
    »Nein. Hab ich schon … in der Realität.«
    »Du Alki«, murmelt Romka. Der hat’s nötig! So wenig, wie ihm der Wodka zusetzt, ist ja wohl eher er … »Du weißt, dass du in der Scheiße steckst, Ljonka?«
    »Ja. Was genau meinst du?«
    »Jemand hat sich über dich beschwert. Ein gewisser Anatole und Crazy Tosser. Die Details der Anklage sind noch nicht bekanntgegeben worden.«
    »Davon hab ich schon gehört«, erwidere ich.
    »Heißt das, du hast noch andere Schwierigkeiten?«
    »Millionen andere.«
    Wir arbeiten häufig zusammen. Ich mag den Werwolf, er mich offenbar auch.
    »Ljonja, was läuft hier?«
    »Als ob du das nicht wüsstest.«
    Roman verzieht das Gesicht und nimmt nervös die Brille ab. »Geht der Warlock etwa auf dein Konto?«, flüstert er.
    »Richtig.«
    »Das heißt … das Labyrinth …«
    »Pst!« Schurkas Worte fallen mir ein, darüber, dass Informationen immer durchsickern würden. »Es ist nicht nötig, das hier auszubreiten.«
    Romka ruft den Barkeeper – heute ist es kein echter Mensch, sondern eindeutig ein Programm – und lässt sich das Glas nachfüllen.
    »Das ist total abgefahren, Ljonka«, murmelt er. »Aber du steckst in der Scheiße. Und zwar bis über beide Ohren.«
    Da begreife ich, dass meine Schwierigkeiten Roman überhaupt nicht beunruhigen. Er leidet auch nicht mit mir mit. Nein, die ganze Geschichte begeistert ihn! Er ist fasziniert von den geballten Leidenschaften, davon, dass ein Abglanz des skandalösen Ruhms auch auf ihn fällt.
Falls wir, Egoisten bis ins Mark, fähig sein sollten, einen anderen Diver zu unserem Idol zu erklären, dann hat Roman genau das gerade mit mir gemacht.
    »Wenn du meine Hilfe brauchst«, bietet er mir an, »dann bin ich für dich da! Und nicht nur ich!«
    Vielleicht könnte ich sie brauchen. Vielleicht würde ich sie sogar kriegen. Roman kennt einen Haufen Leute, und in dem kleinen Kreis der Werwölfe unter den Divern ist er sozusagen das Alphatier.
    »Zu spät«, gestehe ich offen. »Ich muss weg. Für lange.«
    »Wie meinst du das?« Roman blinzelt heftig. »Kommst du nicht mehr ins Netz? Ist es so schlimm?«
    Noch viel schlimmer.
    Ich nicke.
    »Wie willst du das aushalten?«, fragt Romka irritiert.
    Nur wir Bewohner der virtuellen Welt verstehen einander.
    Wie kann man ohne die Tiefe leben?! Ohne die rasanten Ortswechsel vom kühlen Restaurant zum heißen Sandstrand?! Ohne den designten Dschungel und die fiktiven Berge?! Ohne den endlosen kochenden Datenstrom?! Ohne die uralten Witze und die im Netz entstandene Literatur?! Ohne Verkleidung und falsche Körper, ohne Hunderte, Tausende von Freunden und Bekannten, die in allen Ecken der Welt leben?!
    Wie?!
    Du musst in Deeptown gewesen sein, um zu verstehen, was du verlierst.
    »Ich weiß es nicht, Romka. Aber das Labyrinth und Al Kabar …«

    Er nickt. Logisch, so schwer ist das ja nicht. Und nur im Märchen haben Elefanten Angst vor Mäusen. Für diese beiden Konzerne sind wir jedoch noch nicht mal Mäuse – für die sind wir Blattläuse.
    »Ljonja, wenn du Geld brauchst«, setzt Romka überraschend an. »Ich kann dir meinen Anteil zurückgeben. Du hast fast die ganze Arbeit allein gemacht. Und du steckst in der Tinte. Wenn du untertauchst, kannst du es bestimmt brauchen.«
    Ich schüttle den Kopf.
    Auf Romka ist Verlass – aber auf diese Art der Selbstaufopferung kann ich verzichten.
    »Wenn es geht … würde ich dich lieber um was anderes bitten.«
    »Was immer du willst!«
    »Ich muss wirklich abtauchen. Und falsche Fährten auslegen. In ein Hotel will ich nicht … Wenn ich vielleicht ein, zwei Monate bei dir wohnen könnte, bis wieder alles ruhig ist …«
    Ich weiß selbst nicht, warum ich ihn überhaupt darum bitte. Vielleicht, weil ich meine Verbindung zur Tiefe nicht vollends kappen will? Um wenigstens mit Romkas Augen an der virtuellen Welt Anteil zu nehmen? Das Schlagen des elektronischen Pulses zu spüren, Daten zu schlucken …
    »Ich fall dir bestimmt nicht zur

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