Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
Kreativwerkstatt hockte Lexie bereits mit dem großen Plüschkänguru auf dem Schoß vor dem Bildschirm und skypte ihre Mom an. Mark zog sich die Sneakers von den Füßen und warf die Post auf seinen Schreibtisch voller Storyboardkarten mit Skippys Abenteuern. Das meiste waren Einladungen zu Galas und Premieren, bei denen sich die Veranstalter mit ihren Namen schmücken wollten, sowie handgeschriebene Briefe von Fans, um die sich eigentlich Random House kümmern sollte. In dem Stapel mit Blümchen, Teddybären und Luftballons beklebter Briefe lag auch ein kleiner Pappumschlag für Shainee, der offenbar eine DVD enthielt.
Die sanfte Klingelmelodie von Skype erklang.
Aber sie antwortete nicht.
»Sie ist noch nicht in ihrem Bungalow. Wo steckt sie bloß?« Mit beeindruckender Geschwindigkeit klickte Lexie sich durch die Programme. »Hayden hat heute Abend angerufen und eine Nachricht hinterlassen.«
»Okay.«
Sie öffnete das Video, und Haydens Gesicht erschien im Skype-Fenster.
»Hi Mark, hi Lexie. Hier in New York ist es ...« Haydens Blick huschte zum unteren Rand seines Bildschirms. Hinter ihm waren die Lichter von Manhattan zu sehen. Shainees Bruder bewohnte ein schickes Loft in der Upper Eastside, nur ein paar Schritte vom Central Park und den Vereinten Nationen entfernt. Als internationaler Spitzenanwalt arbeitete Hayden in der Rechtsabteilung der Vereinten Nationen – für Frieden, Sicherheit und Menschenrechte war er fast ständig in den Krisengebieten in aller Welt unterwegs: Äthiopien, Somalia, Syrien, Libyen, Afghanistan.
Hayden schaute wieder in die Kamera. »... also, hier ist es kurz nach neun. Also kurz nach sechs bei euch in San Francisco. Ich hab gerade versucht, Shainee anzuskypen, aber sie meldet sich nicht. Auf Flightaware.com habe ich gesehen, dass die Air France pünktlich heute morgen um fünf vor vier local time gelandet ist. Shainee wollte mich anrufen, sobald sie im Hotel ist. Hat sie aber nicht. Und ihr Handy ist schon seit Stunden temporarily not available. Ich wollte mit ihr reden. Na ja, nichts Wichtiges. Nur, dass ich in den nächsten Tagen nach San Francisco kommen werde. Mark, kannst du sie bitten, dass sie mich morgen mal im Büro anruft? Okay, das war’s. Hey, nein! Was haben eigentlich die Blutuntersuchungen und das MRT ergeben? Alles in Ordnung? Ruf mich an, Mark. Oder schick mir eine SMS. Und gib Lexie einen Kuss von mir! Ciao.«
Das war’s, Ende der Videonachricht.
Lexie gähnte ausgiebig. »Wann hast du morgen deinen ersten Termin?«
»Um neun.«
»Ich bin dran mit Frühstück machen.«
»Okay.«
»Und dann fahr ich dich ins Büro. Am Strand treff ich mich später mit Ray.« Sie sprang auf. »Hey, ich verkrümele mich jetzt. Schlaf gut, Dad.«
»Du auch.«
Mark lauschte auf ihre Flipflops auf der Treppe zu ihren Räumen im Dachgeschoss und warf dann einen Blick in Shainees Arbeitszimmer. Ohne ihr Notebook auf dem Schreibtisch wirkte der Raum irgendwie verlassen.
Er legte den kleinen Pappumschlag des UCSF Medical Center, University of California, San Francisco, mit der DVD auf ihren Schreibtisch. Vermutlich waren das die Aufnahmen der letzten MRT vor einigen Tagen.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer tippte er die SMS an Hayden.
June 16, 2011 01:13:36 AM
DR RYAN HAT NICHT ANGERUFEN. DAS HEISST: ALLES OK. WANN KOMMST DU? SOLL ICH DEIN BETT BEZIEHEN UND DICH VOM FLUGHAFEN ABHOLEN? LG MARK
Mit ihrem Tagebuch, einem großen Buch im Vintage Style mit Ledereinband, hockte er sich auf das zerwühlte Bett. Zwischen den von Shainee und ihm beschriebenen Seiten steckten romantische Fotos, witzige Cartoons und zerknitterte Eintrittskarten. Die gepresste Rose hatte er ihr nach ihrer letzten OP geschenkt. Die bescheuerte Glückwunschkarte zu ihrer Einjahresparty mit dem Schriftzug: ›Hurra, Du bist wieder da!‹ stammte von Hayden.
Dieses Buch unterschied sich von den unzähligen Blogs im Internet: Es war von beiden Partnern verfasst worden, die jeder auf seine Weise mit der schrecklichen Krankheit und ihren Folgen umgehen mussten.
Mit verkrampften Schultern blätterte er angespannt durch das schlimmste Jahr ihrer Ehe und las hier und da eine Zeile, die ziemlich trostlose Erinnerungen heraufbeschwor. Sein Herz krampfte sich zusammen, als er las:
Gedanken an den Tod schreie ich mit einem ›Leben will ich!‹ aus mir heraus.
Das hatte sie nach ihrer dritten OP geschrieben, als klar war, dass ein Lymphknoten aufgebrochen und der Krebs in ihrem Körper
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