Lackschaden
man sieht es ihm immerhin noch nicht an. All das sage ich allerdings nicht. Stattdessen weise ich sie freundlich darauf hin, dass ich die beiden kenne.
»Cool«, freut sie sich, »dann kannst du sie mir ja vorstellen!«
»Ich will erst noch ein bisschen schwimmen!«, sage ich, weil ich keine Lust habe, das Tierquiz zu vertiefen.
»Dann halt nachher!«, meint Lieselotte und schwimmt schon mal in Richtung Beckenrand.
Ich ziehe meine Bahnen. Kann ja nicht schaden, meinen Körper zu bewegen. Andererseits was soll so ein bisschen Schwimmen auf die Schnelle bringen? Das ist das Fatale am Sport – diese verdammte Regelmäßigkeit mit der man ihn ausüben muss. Mal so ein wenig schwimmen zu gehen schadet nicht, nützt aber auch nicht.
Fritz und Christoph beobachten mich. Sie scheinen über mich zu reden, jedenfalls schauen sie in meine Richtung. Vielleicht leide ich aber auch schon unter Verfolgungswahn. Ich schwimme länger als in den ganzen letzten Urlauben zusammen. Ich werde im Wasser bleiben, bis die beiden da oben verschwunden sind. Bahn für Bahn schwimme ich hin und her, immer darauf bedacht, nur ja nicht in ihrer Nähe zu wenden.
Ich bin schon fast eine knappe Stunde im Wasser, als sich Katharina zu der Männergruppe gesellt. Sofort verändert sich Christophs Körperhaltung. Er steht aufrechter, gestikuliert und lacht. Gerade so, als wäre er auf der Balz. Ich bin erstaunt. Katharina ist nicht blond. Mein Mann ist in dieser Hinsicht eher schlicht gestrickt. Seine Hormone schienen immer auf Blond konditioniert. Jedenfalls bisher. Würde ihm eine Frau wie Katharina besser gefallen als ich? Eine Frau, die so nebenbei ungeheuer stilvoll und lässig wirkt. So kein bisschen muttimäßig. Obwohl ich alles tue, um nicht so zu wirken, habe ich doch immer einen Hauch von Mutti. Irgendeine Mischung aus bieder und patent. Ich weiß es, kann aber gar nicht genau festmachen, woran das eigentlich liegt. Haare, Figur, Kleidung, Auftreten? Als ich darüber nachdenke, ob er so eine Frau wie Katharina mir vorziehen würde, höre ich meinen Namen.
»Andrea, willst du schwimmen bis du Kiemen bekommst?«
Mein Mann richtet das Wort an mich.
»Bis ihr endlich verschwindet«, würde ich gerne antworten, aber, wie so häufig, sage ich nicht etwa das, was ich denke, sondern stattdessen: »Du sagst doch immer, ich soll mehr Sport treiben!«
Kaum habe ich es gesagt, bereue ich es. Das klang schon wieder verdammt frustriert und zickig. Witzig und schlagfertig wäre gut gewesen, aber dazu braucht man eine gewisse Leichtigkeit. So angespannt wie ich in meinem Inneren bin, schaffe ich das im Moment nicht.
»Ich trainiere für den Ironman auf Hawaii«, wäre eine coole Antwort gewesen. Leider fällt sie mir erst jetzt ein.
»Wir gehen was trinken!«, ruft Christoph zurück und ignoriert meinen schnippischen Einwand.
Kaum ist der Satz raus, wendet er sich auch schon wieder Katharina zu. Ich kann nicht hören, worum es geht, aber selbst die Grande Dame Katharina scheint sich zu amüsieren. Sie wirft ihren Kopf in den Nacken und lacht. Selbst von hier aus, im Wasser, kann ich ihre strahlend weißen Zähne blitzen sehen.
Ob Christoph mich betrügen würde? Hat er schon? So wie seine Augen in letzter Zeit auf Wanderschaft gehen, würde ich vermuten, er hat noch nicht, wäre aber nicht abgeneigt, wenn sich eine Möglichkeit bieten würde. Er sondiert das Terrain. Was wäre wenn? Würde ich es ignorieren, weiterleben wie bisher und einfach denken, es ist eine Phase, es geht vorbei. So wie das viele Frauen tun. Ausharren und fest glauben: Ich bin die Konstante, diese Affäre ist nur ein kleiner Sidekick! Nichts von Bedeutung, so wie ein kleiner Regenschauer, für den es sich nicht mal lohnt, den Schirm aufzuspannen. Kann man amouröse Verstrickungen des eigenen Mannes einfach aussitzen? So tun, als gäbe es sie gar nicht?
Vielleicht könnte ich das, wenn mein Mann sehr, sehr reich wäre. Unglaublich reich. Das ist etwas, was ich natürlich nie öffentlich zugeben würde, weil es peinlich ist. Aber das wäre die Wahrheit: Während er munter und wahllos rumvögeln würde, könnte ich munter und wahllos sein Geld ausgeben, wissend, dass er eine nach der anderen beglückt, aber vor allem wissend, dass ich bleiben und ihn am Ende beerben würde.
All diese Gedanken haben etwas sehr Unromantisches. Hart, nüchtern und berechnend. Ich kann mir die entsetzten Blicke schon vorstellen, wenn man so etwas in einem Gespräch erwähnen würde. Von Frauen
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