Lackschaden
Sonne jegliche Hirnstruktur weggebrannt.
»Andrea?«, sagt Christoph nur komplett peinlich berührt. Gaby fragt mich, ob ich Hilfe brauche, Lieselotte tätschelt unbeholfen meinen Rücken, Lukas will wissen, ob ich in der Sonne getrunken habe und, wenn ja, was, nur Fritz hält seine vorlaute Klappe. Auch Katharina sagt nichts, aber die redet ja eh nicht, vor allem nicht mit mir.
»Ich habe weder getrunken, noch einen Sonnenstich. Ich musste nur mal was klarstellen und der, den es betrifft, der hat es hoffentlich auch kapiert. Und jetzt würde ich gerne meinen Burger essen. Und den Crêpe«, beende ich meine kleine Ansprache.
Das war eine Andrea, die mir gefällt. Eine, wie ich sie gerne häufiger wäre. Couragiert und direkt. Nicht so verhuscht und verängstigt. Eine Frau, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Eine Frau, die sich wehren kann, keine kleine verhuschte Maus in Schockstarre, die sich in jede beliebige Ecke treiben lässt und dort zitternd wartet, bis alles vorbei ist.
Ich habe einfach keine Lust, mir diesen Biber-Jaguar-Mist, diese kryptischen Andeutungen die komplette Wo- che anzuhören. Was kann im schlimmsten Fall schon passieren? Fritz kann die Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die bis auf den Anfang, wo er, wenn er denn bei der Wahrheit bleibt, definitiv die schlechtere Figur abgibt, nur auf Mutmaßungen basiert. Er hat nicht gesehen, dass ich es getan habe, er hat keine Beweise. Natürlich kann er sich denken, dass ich es war, aber ohne Beweise kann der Idiot denken, was er will. Jedenfalls ist ihm durch meine kleine, wirre, aber strenge Ansprache mal kurz die Sprache weggeblieben. Immerhin etwas.
»Soll ich dich aufs Zimmer begleiten?«, fragt Christoph.
»Ne, ich esse jetzt erst mal. Dann kannst du gerne mit mir aufs Zimmer kommen. Ich freue mich, dich mal für mich zu haben!«, sage ich laut und deutlich und für alle verständlich und schiebe mir noch einen Happen Crêpe in den Mund.
Sich zu wehren, sich nicht einfach so zu ergeben, kostet Überwindung, hinterlässt aber ein wundervolles Gefühl. Ein Gefühl von Selbstbewusstsein und von Du-Kannst-Mich-Mal. Ich darf mir nicht mehr so viel gefallen lassen, schießt es mir durch den Kopf. Es fühlt sich viel lebendiger an, mal etwas zu tun, was andere vielleicht nicht erwarten. Fritz ist sichtlich erschüttert. Alle schweigen und beobachten mich, wahrscheinlich um nur ja nicht meine nächste irre Anwandlung zu verpassen. Auf irgendeine merkwürdige Art genieße ich diese bizarre Form der Aufmerksamkeit. Kaum habe ich den letzten Bissen verspeist, nehme ich Christoph beim Wort.
»Lass uns gehen, der Biber will in seinen Bau!«
Christoph zögert kurz und ahnt wahrscheinlich, dass Widerspruch zwecklos wäre.
»Gut, Andrea, vielleicht ist es auch besser, du kommst aus der Sonne raus!«, ergänzt er noch.
Ich glaube, er sucht verzweifelt eine feine Entschuldigung für das auffällige Verhalten seiner Frau.
»Bis nachher!«, sagt Gaby und ist die Erste, die das allgemeine Schweigen bricht.
»Acht Uhr beim Essen?«, fragt Lukas und Christoph nickt.
»Wir sehen uns!«
Kaum haben wir uns wenige Meter vom Tisch entfernt, geht es los.
»Sag mal, Andrea, ich weiß ja, dass du zurzeit schräg drauf bist, aber was, um alles in der Welt, sollte dieses lächerliche Bibergerede und diese subtile Drohung?«
»Hatte nichts mit dir zu tun, das war was nur für Fritz. Hauptsache, der hat es verstanden«, antworte ich.
Jetzt, wo ich Christoph mal für eine gute Stunde nur für mich habe, möchte ich die Zeit nicht mit der Jaguar-Story verplempern.
»Ich möchte über uns reden!«, ändere ich meinen ursprünglichen Plan und verschiebe den Sex auf später. Wir reden, dann essen wir entspannt und dann geht es rund. Die Nacht wird uns gehören!
»Gut«, sagt Christoph, »dann lass uns reden.«
Ich weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll. Es gibt ja keine wirklich schwerwiegenden Sachverhalte (man merkt an meinem Vokabular, dass ich mit einem Anwalt verheiratet bin!). Das meiste, was mir zu schaffen macht, ist eine Form der Befindlichkeit. Ein Ungleichgewicht. Deshalb fange ich mit dem elementarsten überhaupt an.:
»Sag, Christoph, liebst du mich noch?«
Es folgt eine Pause. Eine Pause, die bei dieser Frage eindeutig zu lang ist. Er räuspert sich.
»Das kann ich so einfach nicht beantworten!«, lautet Christophs Antwort.
Was soll das heißen? So schwer war die Frage doch nicht. Ja oder Nein heißt im Normalfall die
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