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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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den ich immer gefürchtet habe. Er streicht mir über den Rücken. Er weint nicht.
    »Macht dich das nicht traurig?«, schniefe ich.
    »Doch«, ist seine Antwort, »das macht es.«
    Einen kurzen Moment später schaut er verstohlen auf seine Uhr.
    »Du, wir müssen los. Abendessen. Die anderen warten!«
    Wir reden über unsere Zukunft, es geht um alles, und Christoph sorgt sich, ob irgendwelche Leute eventuell auf uns warten. Meine Stimmung schwankt. Ich finde das so unerträglich, dass sich in meine Traurigkeit eine ordentliche Ladung Wut mischt.
    »Du denkst jetzt an diese Deppen? Ans Abendessen?«, motze ich.
    Er schaut auf, und sein Blick sagt mir, dass er meine Beschwerde nicht versteht.
    »Ja schon. Was soll man dazu denn auch noch groß sagen. Das ist eine verfahrene Situation, keine Frage. Aber mal ehrlich, ich habe auch Hunger, und ich finde außerdem, dass man so was nicht unbedingt im Urlaub klären muss.«
    Eine verfahrene Situation? Sind wir hier in einem abstrakten Anwaltsgespräch? Verfahrene Situation klingt gerade so, als hätte er selbst gar nichts damit zu tun, als ginge es um einen Klienten. Eben noch hatte ich das Gefühl, er wäre genauso betroffen wie ich und jetzt, nur wenige Minuten später, wirkt er völlig unbeteiligt. Fast schon kühl.
    »Wir können das doch vertagen!«, schlägt er vor.
    Natürlich, eine brillante Idee. Wir sagen uns, dass wir nicht sicher sind, ob wir uns noch lieben und machen uns anschließend einen feinen Abend. Ohne, auch nur weiter darüber gesprochen zu haben. Wie tumb muss man sein, um so etwas auch nur in Erwägung zu ziehen?
    »Ist das dein Ernst?«, frage ich zurück.
    Ich bin wirklich fassungslos. Wenigstens vertreibt diese Kombination aus Wut und Entsetzen meine Tränen.
    »Na ja, wir werden das ja so schnell nicht klären, und da können wir ja auch erst mal Essen gehen«, antwortet er seelenruhig.
    Wie pragmatisch. Hauptsache was gegessen. Genau das sage ich auch. »Hauptsache essen!«
    Er verteidigt sich sofort.
    »Im Gegensatz zu dir hatte ich keine Crêpes und Mini-Burger! Ich will mich nämlich tagsüber ein bisschen zurückhalten. Für die Figur.«
    Eben noch ging es um ganz große Gefühle, um die Basis, um alles und jetzt keifen und zicken wir uns mal wieder durch die Niederungen der Banalitäten. Erbärmlich. Trotzdem kann ich das nicht einfach so hinnehmen.
    »Ich hatte keine Crêpes und Mini-Burger, sondern einen Burger und einen Crêpe. Wenn du das so höhnisch sagst, klingt es, als wäre ich ein absoluter Vielfraß!«
    Ich bin ein Vielfraß, keine Frage. Nahrung macht mir einfach gute Laune. Trotzdem hasse ich diese versteckten Hinweise: »Ich will mich nämlich ein bisschen zurückhalten. Für die Figur.«
    Das heißt in der Übersetzung nichts anderes als: Dir, meine Liebe, könnte das auch nichts schaden. Womit er auch nicht Unrecht hat. Aber sollten sich Paare in dieser Hinsicht immer die große, oft grobe Wahrheit um die Ohren hauen? Ist Ehrlichkeit da nicht fehl am Platz? Christoph schaltet sich wieder ein.
    »Ich verstehe dich einfach nicht, Andrea. Lass uns Essen gehen und dann weitersehen.«
    Was soll’s, denke ich, ich kann ihn ja schlecht zwingen, hier zu bleiben.
    »Ich muss mich erst noch fertig machen, ich kann ja nicht in meinem kleinen Strandhängerchen ans abendliche Club-Büfett. Geh vor, wenn du magst.«
    Natürlich hofft ein Teil von mir, dass er auf mich wartet. Umsonst gehofft. Er zieht sich ein Hemd und eine Jeans über, offensichtlich verzichtet er aufs Duschen.
    »Ich komme ungern zu spät!«, teilt er mir mit, gerade so, als wäre das eine Neuigkeit für mich. Eigentlich hätte ich es sogar wichtig gefunden, dass er wartet. Nicht, weil ich alleine nicht in der Lage bin, den Weg zu finden, sondern weil es ein Zeichen gewesen wäre: Neben all dem Hunger, bist du mir wichtig! So wichtig, dass es mir egal ist, ob ich Fritz und Konsorten mal ein paar Minuten warten lasse. Zusammen werden wir alles klären. Aber seine Prioritäten sind eindeutig. Eindeutig nicht bei mir.
     
    Am liebsten würde ich ins Bett gehen. Aber draußen wartet ein lauer schöner Sommerabend, auch wenn es sich in mir alles andere als schön anfühlt. Ich gehe Duschen und zwänge mich in meine Lieblingsjeans.
    Habe ich in der kurzen Zeit hier etwa schon zugenommen? Ich komme kaum rein. Erschwert wird das Ganze durch meinen Sonnenbrand. Jeans und Sonnenbrand sind keine gute Kombi. So wie Christoph und ich. Egal, womit ich mich beschäftige, egal, was

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