Lackschaden
ich das dumpfe Gefühl habe, auch ich hätte Katharina sein können. Dabei sollte ich eigentlich nicht auf Lieselotte sauer sein. Sie ist die Ungebundene im Spiel. Trotzdem erwarte ich von ihr, dass sie die Finger von Fritz lässt. Wäre es nicht eigentlich die Aufgabe von Fritz, seine Finger von Lieselotte zu lassen? Oder ist das eine generelle Moralfrage? Gehört es sich auch für Single-Frauen nicht, mit verheirateten Männern anzubandeln? Darf man rücksichtslos flirten, wenn man weiß, dass der Kerl vergeben ist? Kann man das ausblenden? Geht es – wie Lieselotte sagt – wirklich nur um das Eine?
Die Finger von Fritz sind noch immer auf Lieselottes Oberschenkel, jetzt allerdings nicht mehr auf, sondern unter ihrem Kleid. Ich bin gleichzeitig angewidert und fasziniert. Will wegschauen, kann meinen Blick aber kaum abwenden. Will Fritz sie jetzt und hier flachlegen? Kurt hat nun endgültig kapiert, dass Lieselotte für ihn, jedenfalls heute, nicht zu haben ist. Er zieht, geschlagen, von dannen. Christoph versucht das ganze Gefummel zu übersehen. Er schlägt sogar vor, noch mal bei der Michael-Jackson-Show vorbeizugehen. Will er Fritz freie Bahn bieten? Machen das gute Kumpels füreinander?
»Lass uns schlafen gehen!«, ist meine Alternative. Obwohl ich eigentlich gar nicht so müde bin. Aber was soll man in einem Club ansonsten tun, wenn man genug getrunken hat und Shows nicht mag?
»Wir könnten auch noch mal runter zum Strand!«, überlege ich laut. Christoph ist nicht begeistert.
»All der Sand, da muss ich ja danach duschen. Ne, gehen wir halt aufs Zimmer. Vielleicht kommt noch was Gutes im Fernsehen.«
Lieber fernsehen als nächtlicher Strand! Genau das ist es, was mich stört.
Auf dem Weg zum Zimmer spreche ich Christoph auf Fritz und Lieselotte an.
»Findest du, das muss man Katharina sagen?«, frage ich.
»Spinnst du!«, antwortet er sofort. »Das geht uns doch nichts an. Wahrscheinlich haben die eine eher offene Beziehung. Katharina hat doch gesehen, was sich da entwickelt und ist trotzdem ins Bett.«
Fehlt noch, dass er sagt, dass sie deshalb selbst dran schuld ist. Was hätte sie denn tun sollen? Sich dazwischenwerfen? Lieselotte die Augen auskratzen?
»Außerdem glaube ich nicht, dass das was Ernstes wird. Fritz geht sicher auch gleich ins Bett!«, ergänzt er noch.
Fragt sich nur in welches Bett, denke ich. Ist eine Hand unterm Kleid noch nichts Ernstes? Wo bitte fängt denn dann was Ernstes an? In mir regt sich Widerspruch.
»Was bitte war das denn dann?«, will ich von meinem Mann wissen.
Es geht mir eigentlich nur noch am Rande um die Sache mit Fritz, sondern eher um eine grundsätzliche Einschätzung einer solchen Situation. Ich will herausfinden, wo seine Schwelle wäre.
»Man darf so was nicht überbewerten. Die hatten beide was getrunken, und haben ein bisschen geflirtet. Sonne und Alkohol – mehr war das nicht«, redet er sich und Fritz raus.
Ich bin keine Moral-Scharfrichterin, aber dass Fritz und Lieselotte heute Sex haben werden, ist für mich sicher.
»Die werden heute miteinander ins Bett gehen, da bin ich sicher!«, empöre ich mich ein wenig.
»Ach Quatsch, Andrea, dass du immer so dramatisieren musst. Ich kenne den Fritz, der ist an sich harmlos«, hält Christoph ein kleines Plädoyer für seinen Freund.
Den Freund, mit dem er in den letzten Monaten sehr viel Zeit verbracht hat. Angeblich auf dem Golfplatz.
»Der lässt doch auch sonst nichts anbrennen?«, bohre ich weiter.
»Woher soll ich das denn wissen? Seit wann bist du denn so an Fritz interessiert?«, stöhnt Christoph sichtlich genervt.
»Mir ist das unangenehm, vor Katharina, vor allen. Ich will so was nicht wissen und auch nicht sehen, dann muss ich auch nicht darüber nachdenken!«, versuche ich meine Gedanken zu erklären.
»Dann vergiss doch einfach, was du gesehen hast, und mach dir darüber nicht so einen Kopf. Ist doch echt nicht unsere Sache. Wir haben, weiß Gott, genügend eigene Probleme, auch ohne einen Fritz!«, beendet Christoph das Gespräch.
Er schließt unser Zimmer auf, und nach dem Lichtschalter drückt er den Einschaltknopf des Fernsehers.
»Sollten wir nicht lieber da weiterreden, wo wir heute Mittag aufgehört haben?«, frage ich leise.
Im Fernseher blubbert Markus Lanz mit irgendeinem selbsternannten Experten für Erziehungsfragen. Lanz ist eine Sendung, bei der Christoph normalerweise nicht schnell genug umschalten kann. Diesmal schaut er fast andächtig auf die
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