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Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Titel: Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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oben und schon nach zwei Metern hatte er den im Riss hängenden Geröllpfropfen hinter sich. Vor ihm lag das offene Rund eines sauberen Schachtes, der sich in den dunklen Tiefen des Berges verlor. Noch einmal kletterte Elfried nach unten, schnallte die Sauerstoffflaschen auf den Rücken und befestigte zwei Lampen an ihrem Gestell. Eine weitere Lampe in der Hand tragend kraxelte er wieder in den Riss. Ohne große Anstrengung mochte er etwa fünf Minuten geklettert sein, als sich der Boden des Schachtes deutlich spürbar in die Waagerechte senkte. Hier fand Elfried den Rest der Gesteinslawine, deren vorderer Teil sich in Schacht ergossen hatte. Er passierte den riesigen Geröllhaufen und bemerkte, dass sich der Schacht dahinter auf ein ungeahnte Höhe und Breite zu erweitern begann. Elfried konnte sich aufrichten. Der Strahl seiner Lampe stieß nach vorne nicht mehr auf Gestein, sondern wies in eine weite Leere. Das war für ihn allerdings eine besondere Entdeckung, denn eine Höhle von diesen Ausmaßen war ihnen in der gesamten Umgebung nicht bekannt geworden. Die nächsten großen Höhlen waren die Kluterthöhle bei Ennepetal und die Attahöhle bei Attendorn. Beide Höhlen waren auf unterschiedliche Arten zu Publikumsmagneten geworden. Die eine wegen ihrer schönen Stalagmiten, die andere wegen ihrer angeblich heilenden Wirkung, auf alle, die sie betreten. Elfried ahnte schon, welche Freude seine Entdeckung in den umliegenden Gemeinden auslösen würde. Warum hatten sehr empfindlichen Geräte diesen großen Hohlraum nicht angezeigt?
    Als Elfried einen Augenblick darüber nachdachte, wurde ihm zunächst bewusst, dass es hier erstaunlich warm war. Ein Blick auf das Thermometer neben der Uhr zeigte ihm eine Temperatur von 19 Grad an. Aber neben dieser messbaren Tatsache spürte er noch etwas anderes. Wie ein warmer Lufthauch schien ihm eine einladende Schwingung entgegen zu kommen und zog ihn tiefer in die Höhle.
    Sofort nachdem Walter den Kontakt mit Elfried abgebrochen hatte, stürmte er die zweihundert Meter bis zum Haupthaus zurück, raste die Treppen empor und traktierte die Wählscheibe des Telefons mit hartem Zeigefinger. An der Wand hing ein Zettel mit allen Helfernummern, ehrenamtlichen Mitarbeitern und Leuten die sie über ABM -Maßnahmen bekommen hatten. Achtzehn Helfer. Nach einer dreiviertel Stunde angestrengten und hastigen Sprechens wusste er, dass neun Helfer kommen würden. Neun! Immerhin, das war besser, als allein in einer Gerölllawine zu wühlen. In der nächsten halben Stunde würden sie eintreffen. Was müsst ihr auch sonntags arbeiten, hatte einer gefragt. Ja, warum? fragte sich Walter selbst voller Bitterkeit. Aber er hatte jetzt keine Lust über seine eigene verkrachte Geologenexistenz nachzudenken. Dieses Projekt war eben seine letzte Chance. Mit seinen fünfundvierzig Jahren war er ein gutes Stück über den Rand des Bildes vom jungen dynamischen Wissenschaftler hinaus gerutscht. Walter grinste schief. Jung, dynamisch, beweglich und möglichst gewissenlos. Das Managementvorbild geriet in die Wissenschaft. Tatsächlich ging Walter inzwischen auch zum Bodybuilding. Er spuckte aus.
    Wieder im Einsatzstand angekommen, griff er sofort nach dem Hörer neben dem Terminal. Er ließ den Untertagerufer ertönen.
    "Elfried, bitte kommen!"
    Nichts.
    Walter atmete tief durch. Aus dem großen Lautsprecher des Einsatzstandes erklang nur Rauschen. Und dieses Rauschen ergriff Walter auf eine ganz eigenartige Weise. Entspannt legte er den Hörer aus der Hand und begann vor sich hin zu dämmern. Er zog den Klang dieses rhythmischen, überaus beruhigenden Tones tief in sich hinein. Vor seinem inneren Auge erschienen Bilder seines letzten Urlaubes am Atlantik, die schroffe Küste, das einladende, klare Wasser.
    Als die Tür des Einsatzstandes aufgerissen wurde, schreckte Walter hoch. Im Aluminiumrahmen standen Brigitte und Norbert und starrten Walter entgeistert an.
    "Ich denke, hier ist die große Panik, Elfried in Todesgefahr und du lässt dich vollaufen!"
    Norberts Blick erfasste Walters verschwommene Augen, die vergessene Flasche Cinzano auf dem Lautsprecher. Ganz langsam kam Walter wieder zu sich.
    "Dieses Rauschen..."
    "Welches Rauschen?", fragte Norbert barsch.
    "Das Rauschen im Lautsprecher."
    "Walter", fragte Brigitte spitz, "hast du uns herausgeholt, um uns mitzuteilen, dass Lautsprecher rauschen?"
    Walter murmelte benommen: "Es tut mir leid, aber das war ein anderes Rauschen als sonst. Ich war wie

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