Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
Wurm überhaupt einen Gedanken verschwendet hatte.
Von Rastafan hatte er noch keinen Auftrag erhalten. Er wolle ihn ›besser kennenlernen‹ – so nannte er das ständige Aushorchen, während er fleißig Marfander ausschenkte.
Tatsächlich erfuhr Rastafan von dem glatten und durchtriebenen Mondpriester nichts, was diesen verraten hätte. Auf jede Frage gab er eine schlüssige Antwort, die Rastafan ihm zwar nicht immer glaubte, aber auch nicht widerlegen konnte. Lange konnte er Gaidaron nicht mehr hinhalten. Dieser würde bald bemerken, dass es bei ihm für einen Sekretär keine Arbeit gab.
Außerdem empfand es Rastafan allmählich unerträglich, mit Gaidaron allein in einem Raum zu sein. Während sie taten, als sei zwischen ihnen alles rein geschäftlich, gab es genug versteckte Hinweise auf andere Begehrlichkeiten: Augenkontakte, hintergründige Bemerkungen und hier und da ein süffisantes Lächeln. Sie konnten es nicht lassen, obwohl sie beide wussten, dass sie Gegner waren.
Ein kleiner Machtkampf begann, als Rastafan zum ersten Mal ein Schriftstück von Gaidaron aufsetzen ließ. Rastafan hatte lange nachgedacht, was er zu schreiben hatte, aber ihm war nichts eingefallen. Dann war ihm doch eine Idee gekommen.
»Ich habe heute eine Aufgabe für dich«, begann Rastafan geheimnisvoll lächelnd.
»Oh, das würde mich freuen. Dann kann ich dir endlich mit meinen Kenntnissen zu Diensten sein«, schwadronierte Gaidaron, während er innerlich triumphierte. Nun würde er Rastafan bloßstellen können.
»Ich habe über deine Worte nachgedacht, und ich gebe dir recht. Ich bin in der Regierungskunst noch unerfahren und habe einen großen Teil meiner Zeit vertan. Das will ich jetzt wiedergutmachen. Ich dachte an ein großes Bankett für alle wichtigen Würdenträger meines Vaters, um alle einmal kennenzulernen. Beim Essen und Trinken geht es doch entspannter zu, was hältst du davon?«
»Eine gute Idee. Und ich soll die Einladungen verfassen?«
»Daran dachte ich. Natürlich erst einmal ein Probestück. Wenn ich es für gut befunden habe, kannst du daran gehen, den Text zu kopieren und mit Namen zu versehen.«
»Eine Kleinigkeit für mich. Wann möchtest du das erste Exemplar haben?«
»Morgen um dieselbe Zeit.«
Als Gaidaron am nächsten Tag bei Rastafan erschien, entdeckte er zuerst die Kanne mit Marfander und zwei Becher. Rastafan beabsichtigte also wieder einen fröhlichen Umtrunk. Nun, er würde ihn nötig haben. Mit bescheiden gesenktem Blick reichte er Rastafan die kleine Pergamentrolle. Als dieser sie entgegennahm, begegneten sich ihre Blicke. Zwei Männer, beide verschlagen und Ränken nicht abhold, beide begabt, in den Blicken des anderen zu lesen.
»Sag mir, ob du damit zufrieden bist.«
Rastafan entrollte es langsam, warf einen Blick darauf, erhaschte nebenbei einen Eindruck von Gaidarons lauernder Miene und wusste Bescheid. Gaidarons Lächeln war ein wenig zu breit, zu siegesgewiss. Rastafan war nun sicher, dass Gaidaron ihm einen Streich gespielt hatte. Seine Augenbrauen hoben sich. »Zufrieden?«, meinte er vage, »oh ja, auf eine gewisse Weise bin ich das. Ich finde es irgendwie gelungen und dennoch – es taugt nichts. Das kann ich nicht gebrauchen.« Er schleuderte das offene Pergament ärgerlich von sich, sodass es unter einen Tisch rutschte. »Komm morgen mit einem besseren Entwurf!«
Gaidarons angespannte Miene fiel in sich zusammen. Er brauchte wirklich etwas Zeit, bevor er sich zu einer Antwort aufraffen konnte: »Meine Arbeit wurde bisher niemals beanstandet.« Aber er trug es nicht mit empörter Lautstärke vor wie einer, der sich im Recht fühlt, sondern es klang sehr handzahm.
Rastafan klopfte ihm kameradschaftlich auf den Rücken. »Nimm es nicht so schwer, ich weiß, du kannst es besser. Vielleicht hattest du einfach nur einen schlechten Tag. Und nun entschuldige mich, ich treffe mich mit meinem Freund Tasman. Er will mir zeigen, was seine Männer gelernt haben.«
Gaidaron fühlte sich zur Tür hinausgeschoben wie ein lästiger Besucher. Er musste sich sehr zusammenreißen, um noch ein verkniffenes Lächeln zustande zu bringen. Wortlos entfernte er sich.
*
Am nächsten Tag war Rastafan ausgenommen gut gelaunt. »Das waren großartige Kämpfe gestern«, sagte er, während er wie üblich die Becher voll schenkte. »Meine Berglöwen haben viel gelernt in dieser kurzen Zeit. Der Schwertkampf ist doch ganz etwas anderes als nur mit dem Messer herumzufuchteln, meinst du nicht
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