Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)
Wahrheit ist«, flüsterte er, »dass ich Jaryn sehr bedrückt antraf, weil er hinsichtlich der Suche nach dem Prinzen noch nichts erreicht hatte. Und dann lief alles ganz anders, als wir es geplant hatten.«
Suthranna schüttelte nachsichtig den Kopf und machte ein zufriedenes Gesicht. »Durch eure Fürsprache ist es gelungen, die Knaben zu befreien. Ich habe nämlich auch schon mit einem gewissen Orchan gesprochen.«
Caelian sah seinen Vorgesetzten erschrocken an. »Dann – dann wisst Ihr alles?«
»Sicher nicht alles, aber ich kann mir meinen Teil denken. Orchans Geschichte wich ein wenig von deiner ab. Aber was macht das schon, wenn die Sache gut ausgegangen ist. Ihr beide seid auf der Suche nach dem Prinzen ein gewaltiges Stück vorangekommen.«
Suthrannas Worte verblüfften Caelian. Davon hatte er nichts bemerkt.
»Wie sehen Jaryns weitere Bemühungen aus?«, fragte Suthranna.
Caelian wusste nicht warum, aber er merkte, dass gutes Wetter herrschte. »Er braucht Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Inzwischen dachte ich, sei es nicht verkehrt, in unseren Archiven zu stöbern. Vielleicht ergibt sich dort ein Hinweis, dem wir nachgehen könnten.«
»Das ist eine gute Idee. Es müssen uralte Schriften existieren, in die kaum jemand hineinsieht. Frage Auron, unseren Archivar, er kann dir zeigen, wo du sie findest. Nicht einmal ich könnte das.«
»Weshalb bleiben sie so unbeachtet?«
»Weil es immer einen Grund geben muss, um nachzuschlagen. So ein Grund ist bisher nicht aufgetaucht. Wenn du meinst, dort etwas über den Prinzen zu finden, dann will ich dich nicht davon abhalten, obwohl ich nicht glaube, dass du fündig wirst. Der Mythos um ihn ist den meisten hier im Tempel bekannt. Auf mehr als seine Ursprünge dürftest du nicht stoßen. Doch was sollte dir das heute helfen?«
»Ich weiß es nicht. Da wir aber keine Spur haben, muss man irgendwo anfangen, nicht wahr?«
~·~
Auron, ein kleiner weißhaariger Mann, von der Last der Jahre gebeugt, aber im Geiste noch hellwach, war der Herrscher über das Archiv des Mondtempels. Er kannte jeden noch so verborgenen Winkel und wusste über seine Schätze genau Bescheid. Zu einigen abgelegenen Räumen hatte nur er die Schlüssel. Und nur wenige wussten, wie viele von diesen Räumen es hier unten gab. Auron führte Caelian hinunter in die Stollen, die genauso wie jene im Sonnentempel kühl und trocken waren.
»Welche Schriften willst du sehen?«
»Die Ältesten und die sich mit dem Mythos Razoreths beschäftigen.«
Auron nickte nur und leuchtete ihm mit einer Öllampe. Die alte Tür, vor der er stehen blieb, hatte für Caelian etwas von dem Tor zu einer Grabkammer, das auf ewig verschlossen bleiben musste. Doch Auron öffnete sie mühelos, sie quietschte nicht einmal. Die Schriftrollen und gebundenen Bücher auf den Regalen standen oder lagen in Reih und Glied und waren durchnummeriert. In der Ecke gab es einen Tisch und zwei Stühle, außerdem eine Öllampe, die Auron jetzt anzündete. Alles sah so aus, als würde der Raum täglich benutzt.
Auron ging ohne Umschweife auf einige Schriftrollen zu, nahm sie vom Regal und händigte sie Caelian aus. »Das hier dürfte dich für einige Zeit beschäftigen. Sag mir Bescheid, wenn du fertig bist. Aber such dir nichts selbst heraus, sonst bringst du alles in Unordnung.«
»Danke Auron«, sagte Caelian. »Ich bin überrascht, wie aufgeräumt und zweckmäßig alles ist, selbst bei diesen uralten Schriften, die angeblich niemand mehr liest.«
»Na, ich habe ja nichts anderes zu tun, als hier für Ordnung zu sorgen. Und die alten Schriften sind mir genauso lieb wie die neuen. Bücher sind etwas Ehrwürdiges, das man nicht verkommen lassen darf.«
»Da hast du recht, Auron.« Caelian legte die Schriftrollen auf den Tisch, setzte sich und rückte die Öllampe etwas näher.
»Ich lasse die Tür einen Spalt offen. Ich bin oben, wenn du mich brauchst. Du findest doch zurück?«
Caelian nickte. Er war bereits dabei, die erste Schriftrolle zu öffnen. Sie war an den Rändern etwas vergilbt, aber noch nicht brüchig. Gespannt begann er zu lesen.
Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er an der Tür ein Geräusch hörte. Er glaubte, es sei Auron, der zurückgekommen war, aber der Mann, der in der Tür stand und ihn wölfisch angrinste, war Gaidaron. Caelian erschrak zutiefst.
Mit einem hohlen Laut fiel die Tür hinter ihm zu. »Hier unten finde ich dich also, Caelian. Seit ich hörte, dass du zurück bist,
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