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Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)

Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)

Titel: Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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sich in ihm verdichtet und war ihm fast zur Gewissheit geworden. Freilich fand er keine Erklärung dafür, aber diese sollte ihm der offene Sarg jetzt liefern.
    Saric erhob sich zitternd. Mit ersterbender Stimme flüsterte er: »Wir müssen die Tafel nicht zerstören. Es gibt einen Mechanismus …« Er berührte die Tafel an verschiedenen Stellen, und plötzlich öffnete sich wie von Geisterhand eine mannshohe Tür. Sie gab den Eingang zur Grabkammer frei. Rastafan bückte sich und ging hinein. Saric blieb wie gelähmt draußen stehen. Er sollte es Rastafan jetzt sagen, aber seine Zunge war wie angeleimt.
    Rastafan stand vor dem schlichten Sarkophag. Eine Weile starrte er auf ihn hinab. »Wie öffnet man den Deckel?«
    Saric räusperte sich heftig. »Schieben, Ihr müsst ihn leicht anheben und dann schieben«, krächzte er. Doch als Rastafan sich anschickte, das zu tun, schrie Saric laut auf. »Tut es nicht! Um Euretwillen flehe ich Euch an. Wollt Ihr Jaryn wirklich so in Erinnerung behalten: als verwesten Leichnam?«
    Rastafan zögerte. Auch ihn grauste davor. Wenn er sich nun irrte, und aus dem Sarkophag würde ihn Jaryns halb verfaulter Totenschädel angrinsen? Das Bild würde er nie wieder loswerden. Aber andernfalls würden ihn seine Zweifel ein Leben lang begleiten. Er musste Gewissheit haben.
    »Er ist nicht der erste Tote, den ich sehen werde«, erwiderte er rau, denn angesichts seiner bevorstehenden Tat versagte ihm die Stimme. Dann hob er den Deckel leicht an und stieß ihn mit einer heftigen Bewegung zur Seite, so wie er Bedenken stets mit seiner aufbrausenden Art hinweggefegt hatte. Er schloss kurz die Augen, sein Atem ging keuchend. Kühle, trockene Luft entwich dem Sarkophag. Rastafan schwankte, klammerte sich am Rand fest und riss die Augen auf. Er sah – nichts! Er starrte in einen leeren Sarkophag.
    Vorübergehend hatte es den Anschein, als müsse er neben ihm zusammenbrechen. Die Erleichterung drohte ihn zu überwältigen. Wie eine Feuergarbe loderte sie in ihm empor und endete in einem markerschütternden Schrei. Seine Knie gaben nach, und seine Hände klammerten sich kraftlos an den Rand des Sarkophags. Doch dann fegten Zweifel und unbändige Wut die kurz aufgeflammte Erlösung hinweg.
    Saric hatte sich die Ohren zugehalten. Als Rastafan benommen aus der Grabkammer schwankte, floh er in langen Sätzen, verfolgt vom zornigen Gebrüll eines Berglöwen. Saric verbarg sich zitternd in einer Nische. Rastafan bemerkte ihn nicht. Er stürmte an ihm vorbei und raste die Treppe hinauf. Saric wusste, wohin er wollte.
    ~·~
    Die beiden Priester, die Sagischvars Gemächer bewachten, wurden von einem heranstürmenden Ungeheuer beiseite gefegt, bevor sie noch wussten, wie ihnen geschah. Die Tür flog auf, knirschte in den Scharnieren, und Rastafan tobte in das Allerheiligste. Sagischvar saß in einem Sessel und las in einem Buch. Der Lärm schreckte ihn auf, aber da war Rastafan schon heran und zerrte den alten Mann aus seinem Sitz; das Buch flog in hohem Bogen beiseite.
    Sagischvar brauchte ein paar Sekunden, bevor er in dem Wilden den König erkannte. »Rastafan!«, keuchte er, nach Atem ringend, während ihm seine weißen Haare vom Kopf abstanden. »Was ist …?«
    Er kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden. Rastafan schüttelte ihn und stieß ihn mit aller Wucht wieder in den Sessel zurück, sodass dieser in seinen Fugen krachte. »Ihr schändlichen Betrüger!«, brüllte er. »Verlogenes Priestergesindel! Ich lasse eure verfluchten Tempel niederreißen und eure Priesterärsche pfählen!«
    Sagischvar quollen die Augen aus den Höhlen. »Hilfe!«, krächzte er. »Er ist wahnsinnig geworden. So helft mir doch!«
    Vor der Tür hatten sich einige Sonnenpriester versammelt und starrten voller Entsetzen auf das skurrile Schauspiel: Der König griff den Erleuchteten an, er stieß furchtbare Drohungen aus und schien den Verstand verloren zu haben. Aber niemand wagte sich vor. Rastafan war mit drei Schritten an der Tür. Er knallte sie vor ihren Augen zu. »Bleibt draußen, ihr Hurensöhne! Ich verbrenne euch allesamt in eurem Tempel, ihr Lügner, ihr …«
    Offensichtlich gingen ihm die Schimpfworte aus, und er wandte sich wieder Sagischvar zu, der zitternd in seinem Sessel kauerte. Da öffnete sich die Tür einen Spaltbreit. Rastafan fuhr herum. Saric war eingetreten. Blass, aber erhobenen Hauptes ging er auf Rastafan zu. Er warf einen Blick auf den Oberpriester. »Er hat den leeren Sarkophag gesehen«,

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