Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
verwarf diese Möglichkeit nicht sofort als Unsinn. Zwar konnte er sich nicht erklären, wie man es hätte durchführen können, aber für ausgeschlossen hielt er es nicht. Wenn das, was er sich zusammenreimte, stimmte, dann wäre das der dreisteste Betrug, von dem er je gehört hatte. Und der Gelungenste. Je länger er darüber nachdachte, desto heißer stieg ihm vor Aufregung das Blut in die Wangen. Ihm fielen immer mehr Merkwürdigkeiten auf, die zu der Geschichte passten. So war Caelian zum gleichen Zeitpunkt verschwunden wie Jaryn. Auch nur ein Zufall? Und Rastafan? Was wusste er? Hatte er sich an dem Spiel beteiligt? Sein Kummer nach Jaryns Tod schien echt gewesen zu sein, aber wäre eine Täuschung, ohne ihn einzuweihen, überhaupt möglich gewesen?
Womit hatte Sagischvar plötzlich Rastafans Zorn heraufbeschworen? Hatte es damals wegen Jaryn eine Vereinbarung gegeben, die Sagischvar nun nicht mehr einhalten wollte? Wer konnte noch von der Sache wissen? Saric! Der Novize, der jetzt das Amt des Sekretärs bei Rastafan innehatte. Wenn es um Jaryn ein Geheimnis gab, dann wusste er davon, denn zuvor war er dessen Leibdiener gewesen. Aber an Saric kam Gaidaron nicht heran. Er musste anderweitig herausbekommen, ob seine Überlegungen stichhaltig waren.
Gaidaron war von seiner neuen Idee geradezu besessen. Wenn Jaryn lebte und Rastafan ihn damals nur zum Schein verletzt hatte, dann hatte er die Götter und Margan, ja ganz Jawendor betrogen. Dann hatte er ihn in der Hand. Und diese Vorstellung allein genügte ihm, um bester Laune zu sein. Nur musste er erst den Beweis dafür antreten. Dass er so einen Verdacht überhaupt hegte, durfte allerdings niemand wissen. Deshalb konnte er auch keinen seiner Spürhunde ausschicken, um keine Gerüchte aufkommen zu lassen. Ihm musste etwas anderes einfallen.
Worauf er schließlich kam, war einfach und genial. Damit konnte er auch einen anderen, längst geplanten Streich in die Tat umsetzen. Sein Gelingen würde beweisen, dass Jaryn lebte, und außerdem seiner Rache dienen. Er stieß ein tonloses Gelächter aus.
7
Seit dem Vorfall im Sonnentempel nahm Rastafans Umgebung einen sonderbaren Wandel in seinem Wesen wahr. Er war aufgeräumt, scherzte mit der Dienerschaft, schockierte die Höflinge mehr als gewöhnlich mit unpassenden Bemerkungen und ließ sich seine gute Laune durch nichts verderben. Sein Freund Tasman allerdings hätte gesagt, so sei Rastafan früher immer gewesen.
Auf viele machte er den Eindruck, als sei er nach langem Schlaf erwacht. Und so verhielt es sich tatsächlich. Jeden Morgen, wenn Rastafan die Augen aufschlug, war sein erster Gedanke: Jaryn lebt. Ich habe ihn nicht getötet. Das gab ihm so viel Schwung, dass er am liebsten alle Probleme mit einer Handbewegung aus der Welt geschafft hätte.
Tatkräftig packte er unerledigte, aber dringende Sachen an, sodass Saric ihn mehr als einmal in seinem Eifer dämpfen musste. Er ersetzte Achhardin und andere Würdenträger durch Männer aus Margan, die bei Audienzen einen guten Eindruck auf ihn gemacht hatten oder die ihm von Orchan empfohlen worden waren. Ihn selbst ernannte er zum Schatzmeister und gab ihm Kardun als Kammerdiener zur Seite. Dieser hatte zuvor König Doron gedient und war noch etwas blasierter als Rastafans Frantes, soweit da eine Steigerung möglich war. Die beiden Diener gingen in der Öffentlichkeit sehr steif miteinander um, als könnten sie sich nicht ausstehen. In Wahrheit hielten sie zusammen und ließen nichts auf ihre jeweiligen Herren kommen. Als Kammerdiener waren sie Gold wert und hatten bisher nur die falschen Gebieter gehabt.
Natürlich hatte Rastafan Caschu nicht vergessen. Die Provinz, die Jaryn so am Herzen gelegen hatte und deretwegen einige hohe Würdenträger nun im Jammerturm saßen. Er schickte Orchan hin, damit dieser vor Ort die Sachverhalte erkundete, um eine Wahl des Statthalters durch die Bewohner zu ermöglichen. Der kleine, schlitzohrige Kaufmann hatte dazu seine eigene Meinung, aber er hütete sich, sie auszusprechen. Dennoch empfand er es als eine große Ehre, Rastafan dienen zu dürfen, und machte sich mit einigen Helfern sofort auf den Weg.
Rastafan hätte nie für möglich gehalten, dass Regieren in erster Linie darin bestand, haufenweise Pergamente zu beschreiben oder aber auf Erhaltene schreibend zu antworten. Saric allein war damit bald überfordert. Er kümmerte sich nur noch um die streng vertraulichen Sachen. Für die übrigen Arbeiten musste Rastafan
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