Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
auf die gewöhnlichen Hofschreiber zurückgreifen, die allesamt Mondpriester waren, allerdings niederen Ranges. Rastafan hatte nicht viel mit ihnen zu tun, die Verbindung hielt Saric. Da gab es die üblichen Reibereien, wie sie zwischen Sonnen- und Mondpriestern üblich waren, aber die Schreiber waren zuverlässig und sorgfältig in ihrer Arbeit. Rastafan hatte keine Schwierigkeiten mit ihnen.
Heute war ein privates Schreiben für ihn dabei. Er war ein bisschen aufgeregt, denn es stammte von Lacunar. Endlich ließ dieser etwas von sich hören. Eigentlich hatte Rastafan seinen Besuch erwartet. Lacunars Brief war von einem Schreiber aufgesetzt worden. Auch in seinem Land übernahmen das meistens die Priester, die sich mit ihrer Kunst gern hohen Herren andienten. Rastafan konnte mittlerweile recht gut lesen. Er war mit sich selbst zufrieden, dass er darauf bestanden hatte, es zu lernen.
Mein lieber Neffe Rastafan,
ich grüße dich von Fürst zu Fürst. Wer hätte gedacht, dass du einmal über Jawendor herrschen würdest! Ich wünsche dir Kraft und Weisheit für dein Herrscheramt. Selbstverständlich werde ich fortan Jawendors Grenzen achten. Gern wäre ich deiner Einladung gefolgt und hätte mit dir über alles geredet. Mir ist manches zu Ohren gekommen, aber ich hätte es gern aus deinem Munde erfahren. Doch mir bleibt keine Zeit, und so muss mein Brief dir meine Anwesenheit ersetzen. Ich liege mit einer mächtigen Sippe im Streit, mit einem Kerl namens Radomas, und ich nehme an, es wird zum Kampf kommen. Deshalb kann ich nicht fort. Ich fürchte dieses Großmaul Radomas nicht, und ich werde ihn auf seinen Platz verweisen. Aber eigentlich ist dieser Kampf nebensächlich. Von meinem Spitzel bei Radomas’ Leuten habe ich großartige Neuigkeiten erfahren. Wenn alles gut geht, werde ich bald der reichste Fürst im Umkreis sein. Mehr will ich dir in einem Brief nicht verraten. Wenn ich den Schatz habe, erfährst du mehr.
In Liebe und Freundschaft, dein Onkel
Yarian, Lacunar von Achlad.
Frieden an Achlads Grenzen! Das war eine gute Nachricht. Rastafan freute sich für seinen Onkel, dass er offensichtlich einen fetten Raubzug plante, aber diesmal nicht in Jawendor. Er war seinem früheren Leben noch nicht so entfremdet, dass er nicht mitgefiebert hätte. Gern hätte er Pläne mit ihm ausgearbeitet und die Lage ausgekundschaftet, aber das war vorbei.
Schon wollte er Saric bitten, einen Antwortbrief zu schreiben, als er innehielt. Ihm war etwas durch den Kopf gegangen, was es erforderlich machte, den Brief selbst zu verfassen. Auch durfte er ihn nicht über den Mondtempel versenden. Er würde einen seiner Berglöwen schicken. Der sollte geradewegs zu Lacunar gehen und ihm den Brief aushändigen. Rastafan griff zur Feder und schrieb:
Onkel,
ich freue mich, dass du wohlauf bist und bald Herr eines großen Schatzes sein wirst. Ich bin sicher, das Vorhaben wird dir gelingen. Ich hätte dich gern hier in Margan gehabt, aber so etwas geht vor, das verstehe ich. Es wird sich irgendwann eine andere Gelegenheit ergeben, miteinander zu reden. Dann sprechen wir ausführlich über alles, was passiert ist. Ich hörte, Caelian sei in Achlad. Sicher wird er dich besuchen. Vielleicht ist auch sein Freund Jaryn bei ihm? Ich weiß nicht, was dir alles zu Ohren gekommen ist, aber solltest du das Gerücht vernommen haben, Prinz Jaryn sei tot, so glaube es nicht. Er lebt. Und wenn er Caelian begleitet oder du Kenntnis von seinem Aufenthalt erlangst, so bitte ich dich, mich sofort durch einen vertrauenswürdigen Boten zu benachrichtigen. Es ist wirklich dringend. Aber bewahre Stillschweigen gegen jedermann.
Dein Neffe
Rastafan, König von Jawendor.
Stolz auf seine Leistung und zufrieden mit sich selbst, siegelte Rastafan das Schreiben. Später wollte er es Tasman bringen. Er konnte nicht warten, obwohl er es Sagischvar versprochen hatte. Niemand konnte von ihm verlangen, dass er weiterlebte, als sei nichts geschehen. Aber er musste vorsichtig sein. Sprach sich erst einmal herum, dass Jaryn noch lebte, würde das nicht nur einen ungeheuren Tumult verursachen, man würde ihn auch zu einem weiteren Zweikampf zwingen. Über derart unangenehme Dinge wollte er sich noch nicht den Kopf zerbrechen.
Er war in so aufgeräumter Stimmung, dass er beschloss, Ganidis zu sich zu rufen. Der Bursche war genügsam und wusste, was von ihm erwartet wurde. Nur mit seiner ständigen Bitte, Rastafan möge ihn doch zum Türsteher machen, fiel er ihm lästig.
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