Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Doron, der sich ohne Leibgarde nicht aus dem Haus getraut hat.« Er klopfte Saric beruhigend auf die Wange. »Und nun darfst du gehen.«
Rastafan war nicht einfältig. Natürlich erwog er, dass die Nachricht eine Falle sein könnte. Aber nichts hätte ihn davon abhalten können, zum Balshazutempel zu gehen, hätten dort auch hundert Meuchelmörder auf ihn gewartet! Die Möglichkeit, dass es doch Jaryn sein könnte, der dort in der Dunkelheit auf ihn wartete, wog schwerer. Ganidis war aus seinem Kopf verschwunden. Eine halb süße, halb peinigende Unruhe hatte ihn gepackt. Immer wieder nahm er das Pergament zur Hand und las die Zeilen. Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer wurde er, dass sie von Jaryn stammten. Warum hätte Gaidaron ausgerechnet jetzt etwas gegen ihn aushecken sollen? Nein, Jaryn hatte ihn im Wassergraben gefunden und war geflohen, aber nicht, weil er ihm entrinnen wollte. Die Überraschung hatte ihn fortgetrieben, und nun, da er sein Geheimnis gelüftet sah, gab es keinen Grund mehr, sich vor ihm zu verbergen. Jaryns Liebe war nicht mit dem Zweikampf gestorben, so wie auch seine – Rastafans – Liebe zu Jaryn nie aufgehört hatte. Machtgelüste hatten sie zeitweilig verdunkelt, doch niemals ausgelöscht.
8
Auf den Stufen des Morphortempels hockte ein Mann in einem schmutzigen, geflickten Mantel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Als er Schritte hörte, hob er den Kopf und brachte ein ungewaschenes Gesicht zum Vorschein. Sobald er den vornehmen Mondpriester erblickte, der sich dem Tempel näherte, streckte er seine Hand aus, die vor Dreck starrte. Er sagte kein Wort. Die geöffnete Hand war beredt genug. Die meisten ließen schnell etwas hineinfallen, um seinem Gestank zu entgehen. Doch der Mondpriester achtete nicht auf die fordernde Geste. »Ich will zu Tiyamanai, ist er da?«
Der Zylone zog die Hand wieder zurück. »Er ist drin.«
Gaidaron ging an ihm vorbei auf die Tür zu und stieß sie auf. Tagsüber war sie nicht verschlossen. Tiyamanai war damit beschäftigt, die Statue des Morphor mit einem feuchten Tuch abzureiben. Seltsam, ging es Gaidaron flüchtig durch den Kopf. Sie selbst lieben den Schmutz, aber Morphor wird geputzt. Kein Sonnenpriester hätte mehr Glanz auf den polierten Stein zaubern können.
Als die Tür sich öffnete, wandte sich Tiyamanai ihm zu. Er erkannte ihn sogleich und lächelte erfreut. »Ihr seid es? Was für eine Ehre.« Er steckte das Tuch in seinen Gürtel und ging auf Gaidaron zu. In respektvollem Abstand blieb er vor ihm stehen. »Was kann ich für Euch tun, Herr?«
Gaidaron antwortete nicht sofort. Er sah sich in dem Raum um. Sein Blick fiel auf die drei Türen. Dann richtete er ihn auf Tiyamanai, den Mann, den er bereits genossen hatte. Doch er gedachte, bald an einer süßeren Frucht zu naschen. »Ich wollte mich erkundigen, ob der Dämon vielleicht zurückgekehrt ist?«
»Oh nein. Die zwölf Männer sind wohlauf und denken nicht einmal mehr an Selbstmord. Eure Bemühungen waren ein voller Erfolg. Ihr seid ein mächtiger Dämonenbeschwörer.«
»Ich hörte, der Dämon habe sich auch Eures Leibes bemächtigt?«
Tiyamanai senkte beschämt den Blick. »Ihr wisst es wohl, ich habe mich ihm als Opfer dargeboten, und er hat es angenommen.«
»Du bist ein tapferer Mann, Tiyamanai. Sicher war es eine Marter, von einem Dämon so hergenommen zu werden. Nicht nur das Geschehen selbst muss grauenvoll gewesen sein, ich denke da auch an die entsetzliche Schande, die mit einer solchen Gewalttat einhergeht. Das habt Ihr alles auf Euch genommen, um Eure Brüder zu befreien.«
»Nun …« Tiyamanai errötete heftig, soweit das unter seiner Schmutzkruste zu erkennen war. »Es war so wie Ihr – also, wenn ich aufrichtig sein soll, nicht gar so schlimm, wie ich erwartet hatte.«
»Dafür musstet Ihr Euch wohl ausgiebig geißeln?«
»Ja – das heißt, ich bin noch nicht dazu gekommen. Aber die Sünde drückt mich jeden Tag schwerer, und ich werde mich bald von ihr durch schmerzhafte Hiebe befreien müssen.«
Jaja, du Heuchler, dachte Gaidaron. Dir hat es so gut gefallen, dass du dir noch weitere zehn Dämonen gewünscht hättest. Vielleicht werde ich dir deinen Wunsch bei Gelegenheit erfüllen, aber nicht heute. »Nun, hier kann und will ich nicht Euer Richter sein. Diesmal bin ich mit einer Bitte zu Euch gekommen.«
»Ich wäre beglückt, sie Euch erfüllen zu dürfen.«
»Es ist eine etwas peinliche und heikle Sache; sie muss unter uns
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