Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
bleiben.«
»Was in diesem Tempel geschieht, dringt niemals nach außen, seien es Worte oder Taten.«
»Das höre ich gern. Es handelt sich um einen sehr guten Freund von mir. Er ist ein lieber Kerl, kerngesund und meistens fröhlich. Aber dann …« Gaidaron seufzte tief. »Dann kommen diese schweren Tage über ihn, an denen er sich über nichts freut. Nichts kann ihn aufheitern, er hasst sein Leben und sich selbst.«
Tiyamanai nickte mitfühlend. »Das ist uns nicht fremd.«
»Du kannst dir vorstellen, dass ich mir große Sorgen um ihn mache. Aber ich wusste nicht, wie ich ihm helfen sollte. Natürlich habe ich versucht, seinen Dämon auszutreiben, aber er fuhr nicht aus. Ich war ratlos. Heute weiß ich, weshalb es mir nicht gelungen ist. Ich habe den falschen Dämon beschworen, den falschen Namen angerufen. Warum? Weil ich den wahren Grund seiner Kümmernis nicht kannte. Er hat ihn mir aus Scham verschwiegen. Dann bin ich euch begegnet, und plötzlich ahnte ich, was meinen Freund quält. Ich sagte es ihm auf den Kopf zu, und er gestand, dass er dem gleichen Geschlecht zugeneigt sei und darüber fast den Verstand verliere, weil er seinen Begierden immer wieder in Freudenhäusern nachgebe.«
»Oh, ich verstehe. Euer Freund ist bei uns herzlich willkommen. Sicher will er jetzt Zylone werden?«
Gaidaron räusperte sich. »Das nicht. Er bekleidet ein höheres Amt und hat eine große Familie zu ernähren. Niemand außer mir weiß um seine Fehltritte, die seiner bedauerlichen Neigung geschuldet sind. Niemand ahnt seine seelischen Qualen, wenn er nach der verwerflichen Tat aus dem Freudenhaus kommt. Er schließt sich dann in sein Zimmer ein und weiß nicht ein noch aus, vor lauter Gewissensbissen.«
Tiyamanais Miene zeigte eine gewisse Verunsicherung, und Gaidaron fürchtete schon, dass er mit seiner Schilderung übertrieben habe. Doch Tiyamanai wollte nur sein großes Verständnis für die Last dieses Mannes ausdrücken. Er wies mit der Hand auf eine der Türen und hatte schon den Mund zu einer Antwort geöffnet, als Gaidaron fortfuhr: »Ich erinnerte mich an eure Bußkammer. Sie existiert doch noch?«
»Aber ja.«
»Und dieser – äh – Stuhl?«
»Das Bußgerüst, es steht noch da und wartet auf die Bußfertigen. Ihr möchtet …?«
»Ja, ich möchte Euch fragen, ob mein Freund diesen Ort zur Linderung seiner lasterhaften Gedanken nutzen darf?«
»Er steht ihm zur Verfügung. Allerdings muss er über dieses Ritual außerhalb unseres Tempels Stillschweigen bewahren.«
»Dafür verbürge ich mich.«
»Und wer soll ihn strafen?«
»Ich werde wieder den Dämon herbeirufen. Jetzt kenne ich seinen wahren Namen. Für den Ablauf werde ich Euch abermals genaue Anweisungen erteilen, die Ihr gewissenhaft befolgen müsst. Da mein Freund ein starker und hitzköpfiger Mann ist, werde ich ihm ein Beruhigungsmittel geben, damit Ihr und Eure Leute ihn leichter an das Bußgerüst fesseln können. Auch müsst ihr die Fesseln so anlegen, dass er sich nicht selbst befreien kann.«
»Das ist nicht üblich.«
»Ich weiß. Ich habe alles schon mit meinem Freund besprochen, und er ist einverstanden. Aber in letzter Sekunde könnte er es bereuen und fliehen wollen. Dann wäre alle Mühe umsonst gewesen. Manchmal muss man zum Wohle eines anderen sanften Druck ausüben. Er wird schnell merken, wie wohltuend eine kräftige Buße sich auf sein Gemüt auswirkt. Natürlich sind auch Eure Brüder dazu aufgerufen, an dieser mitzuarbeiten. Nur dürfen es nicht mehr als sieben sein, denn das ist die heilige Zahl der Dämonen.«
»Ich werde wohl sieben von ihnen dazu bewegen können. Und was geschieht danach?«
»Wenn alles so abläuft wie vorgesehen, dann hoffe ich, wird ein weiterer Besuch bei euch nicht nötig sein. Die achtfache Behandlung wird ihn wohl von seiner Veranlagung heilen.«
»Acht?«, fragte Tiyamanai leicht irritiert.
»Hast du den Dämon vergessen?«
Tiyamanai nickte. »Alles steht zu Eurer Verfügung. Wann wird Euer Freund kommen?«
»Heute Nacht, wenn der Mond dunkel ist.«
9
Rastafan hatte einige Zeit überlegt, ob er den Brief an Lacunar abschicken sollte. Wenn Jaryn in Margan war, dann war das Schreiben überflüssig. Eben diese Ungewissheit machte ihm den ganzen Tag über zu schaffen. Am Ende dachte er, es schade nichts, wenn Lacunar nach Jaryn Ausschau hielte. Er würde auf alle Fälle zum Balshazutempel gehen, und sei es nur, um zu erfahren, wer hinter der Sache steckte.
Ausgerechnet an diesem Tag,
Weitere Kostenlose Bücher