Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Grabkammer!«, stieß Jaryn hervor. »Wir stehen vor der Grabkammer. Sie muss voller Sand sein. Erinnerst du dich an die Löcher in der Decke, aus denen der Sand lief?«
Caelian nickte. »Ja, aber damals gab es hier keine Tür.«
»Aber es gab geheime Hebel und Druckpunkte genug. Alles bewegte sich, alles konnte bewegt werden. Vielleicht hat irgendetwas den Mechanismus einer Tür ausgelöst.«
»Irgendetwas?«, wiederholte Caelian heiser. »Du meinst wohl, irgendjemand, der mit den Vorrichtungen nicht vertraut war.«
Jaryn starrte ihn an. »Du meinst …? Bei Achay, das wäre ja furchtbar. Denkst du, was ich denke?«
»Ja. Wer auch immer darin war, hat den Sandfluss ausgelöst. Da sich auch die Tür geschlossen hat, konnte er nicht mehr hinaus und ist erstickt.« Caelian lehnte sich schweißnass an die Tür. »Ich fürchte, wir haben das Rätsel gelöst. Was für ein schrecklicher Tod. Ich beginne, diese Krüge zu hassen.«
Da durchbrach plötzlich ein grässlicher Schrei die Stille.
~·~
Obwohl er sich geschworen hatte, die Jula im Auge zu behalten, war Thorgan immer hastiger vorangeklettert und hatte Kalisha einige Schritte hinter sich gelassen. Schnaufend stapfte er durch den weichen Sand, der immer wieder unter ihm wegrollte. Doch Schritt für Schritt näherte er sich dem großen Augenblick. Die Spitze wurde größer und größer. Für den Fall, dass die beiden Männer ihn hinter der Pyramide erwarteten, hatte er seine Hand schon am Dolch.
Endlich war er oben. Er warf einen flüchtigen Blick zurück. Ja, da kam die Alte mit wankenden Schritten emporgestiefelt. Nun würde es sich zeigen, ob er mit oder ohne ihre Zaubersprüche hineinkam. Er ging um die Pyramide herum und pirschte sich vorsichtig weiter. Dann sah er die Tür. Ja, es war eine große Tafel, bedeckt mit Zeichen, und sie stand offen! Beinahe hätte er einen lauten Triumphschrei ausgestoßen. Er starrte hinunter in den dunklen Schacht und lauschte. Es war alles still. Kurz drehte er sich um. Die Alte war noch nicht zu sehen. Er wollte nicht auf sie warten, er brauchte ihren Zauber nicht. Wahrscheinlich wirkte der Alte noch.
Die Wasserschläuche beachtete er nicht. Er glaubte, sie gehörten Caelian und Jaryn. Vorsichtig betrat er die erste Stufe. Im Zwielicht konnte er weiter unten eine Plattform erkennen, dort schien sich die Treppe fortzusetzen, die Treppe, die zu den fünf Krügen führte. Aber es war dunkel, und er brauchte Licht. Eine einzige Fackel hing noch an der Wand. Wie für mich geschaffen, dachte er. Wer nach mir kommt, braucht kein Licht mehr. Schnell legte er den Weg bis zur Plattform zurück und starrte mit brennenden Augen hinunter, doch noch war nichts zu erkennen. Und es war still, zu still.
Wieso höre ich die beiden nicht? Was treiben die da unten?, dachte er, trat an die Kante der Plattform und beugte sich leicht nach vorn, um zu lauschen.
»Was hörst du, Thorgan?«, vernahm er da hinter sich eine Stimme. »Hörst du den Tod nach dir rufen?«
»Was? Wer?« Er drehte sich um. »Was willst du hier? Verschwinde!«
»Du hast nicht auf mich gewartet. Du hast mich die Geister nicht bannen lassen.«
»Weg mit dir Alte, lass mich mit deinem dummen Gefasel in Ruhe!«
Kalisha stand zwei Stufen über ihm und sah auf ihn hinab. »Kennst du einen gewissen Othmarnis?«
»Muss ich den kennen? Nie gehört den Namen. Und nun hinaus mit dir, sonst …« Seine Hand packte den Griff des Dolches fester.
»Du hast ihn versklavt, um in deinen Ruinen zu graben. Er ist mein Sohn.«
Thorgan begann zu begreifen, dass diese Frau ihn hasste und ihm nicht ohne Grund nachgestiegen war. Mit einem Satz wollte er sie anspringen, doch sie hatte blitzschnell einen Knüppel hinter dem Rücken hervorgeholt und stieß ihm diesen mit aller Gewalt vor die Brust. Thorgan taumelte zwei Schritte zurück, doch die Plattform war sehr schmal. Sein linker Fuß trat ins Leere, und er stürzte mit einem gellenden Schrei in die Tiefe. Kalisha lauschte. Irgendwann hörte sie einen dumpfen Laut. Nun war Thorgan bei seinen Schätzen angekommen.
~·~
»Was war das?«, riefen Jaryn und Caelian wie aus einem Munde. Sie rannten in den Raum zurück, von wo der Schrei gekommen war. Sie sahen es sofort: Über einem der Krüge hing ein lebloser Mann. Der Deckel des Kruges war in zwei Teile zerbrochen, der Körper auf groteske Art und Weise dazwischen eingeklemmt, als wolle der Krug ihn festhalten. Sie sahen nach oben. Der Mann musste ihnen nachgegangen sein und war dann
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