Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Genauso hatte ihr Sohn Othmarnis ihn beschrieben. »Du bist Thorgan, nicht wahr?«
Verflucht, die Alte musste wirklich mit den Geistern im Bunde stehen. Woher kannte sie seinen Namen? Er hatte die Frau noch nie gesehen. »Bin ich«, knurrte er. »Woher kennst du mich?«
»Die Stimmen.« Sie fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. »Sie haben es mir gesagt. Du hast die Ausgrabungen von Zarador geleitet. Lange habt ihr gegraben. So unermüdlich, so fleißig und doch so vergeblich. Dein Einsatz soll dir heute vergolten werden. Ich war zur Hüterin des Schatzes bestimmt worden, doch der Mahandael hat gesprochen. Da wusste ich, dass die so fest geschlossene Tür zum Heiligtum offen steht. Nur der Würdige findet den Weg zu ihr.«
Thorgan verstand von dem, was die Alte da schwatzte, nur die Hälfte. Aber einiges stimmte. »Weißt du vielleicht, wo mein Herr Radomas und Lacunar, der Fürst von Achlad, geblieben sind? Sie sind nämlich verschwunden.«
Kalisha nickte bedächtig. »Oh ja. Sie waren ja die Ersten, denen ich den Weg wies und die Tür öffnete. Denn wenn sie auch offen steht, so braucht es doch einen Spruch, um die Geister zu bannen, die sie bewachen.«
»Die beiden waren hier?« Thorgan war völlig durcheinander. Was sollte er der Alten glauben? Sie wirkte durchaus nicht geisteskrank, wenn sie auch immer von Geistern redete, aber dafür war sie eine Jula. Er hatte gehört, diese weisen Frauen seien mächtig, aber auch rachsüchtig, wenn man es sich mit ihnen verdarb.
»Sie haben den Schatz gefunden?«
»Natürlich. Und sie haben weggetragen, soviel sie eben vermochten. Doch ich sagte schon, es ist so viel da, dass auch nach Euch noch viele sich bedienen können, wenn es denn genug Würdige geben wird.«
Auf Thorgans Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen. »Ich bin – ich denke, ich habe es verdient für die viele Schufterei, die uns am Ende gar nichts eingebracht hat.«
»Ausdauer wird belohnt«, lächelte Kalisha. »Willst du jetzt nicht hinaufsteigen?«
»Und du?«, fragte er misstrauisch.
»Ich wache hier unten.«
»Weißt du, wer die beiden Männer sind, mit denen du gekommen bist?«
»Natürlich. Der eine war Caelian, der Sohn des Fürsten, und der andere sein Freund. Beide sind Mondpriester. Sie waren so freundlich, mich mitzunehmen.«
»Wozu eigentlich?«
»Um den Bann zu lösen, das sagte ich doch. Ich kenne meine Pflicht. Niemand hat den Eingang finden können, bevor der Mahandael gesprochen hat. Vielleicht sahen ihn manche und gingen achtlos vorüber. Jetzt begleite ich die Würdigen zu den Schätzen, die so lange dort unten ruhten. Sie sind bestimmt, Achlad wieder zum Blühen zu bringen und die Menschen glücklich zu machen.«
Thorgan grinste. »Mich machst du jetzt schon glücklich. Aber auch wenn du eine Jula bist, ich bin ein misstrauischer Mann. Die schlechten Erfahrungen mit bösen Menschen, verstehst du? Deshalb musst du mit hinauf. Ich will dich im Auge behalten.«
Er dachte, wenn die Alte die Wahrheit gesagt hat, kann ich sie immer noch umbringen. Jetzt, wo ich weiß, dass sie eine sterbliche Frau ist und sich nicht in Luft auflösen kann. Aber ihre Zauberkraft könnte mir nützlich sein. Vollends in Zorn geraten konnte er bei dem Gedanken, dass Radomas und Lacunar sie alle betrogen hatten. Mit Taschen voller Gold hatten sie sich davongemacht. Gut, dass er selbst schlauer als alle anderen gewesen war, die gehorsam abgezogen waren.
»Das ist für eine alte Frau ein schwerer Weg«, sagte sie und klang verzagt.
»Du bist alt, aber eine Jula. Hol die Geister herbei, die sollen dich hinauftragen.«
Sie drohte ihm schelmisch mit dem Finger. »Die Geister darf man nicht verspotten. Aber wenn du darauf bestehst, werde ich dich begleiten. Ich kenne noch ein paar Sprüche für kräftigen Atem und beschwingtes Laufen.«
»Warst du schon drin?«, fragte Thorgan neugierig, als sie den Aufstieg begannen. »Ich meine, hast du sie von innen gesehen, die Pyramide? Hast du die Schätze mit eigenen Augen erblickt?«
»Ich war schon oft dort, wenn ich meine Seele auf Reisen geschickt habe. Ich sah die fünf Krüge und die Gräber der alten Könige. Aber bisher war es nicht notwendig gewesen, selbst den Weg auf mich zu nehmen. Auch eine Jula sitzt gern hinter dem Ofen und strickt.«
~·~
Als Jaryn und Caelian die Tafeltür in der Spitze offen vorfanden, erschraken sie zutiefst. Die Tür war mit zwei Wasserschläuchen gesichert. »Der eine gehört meinem Vater!«, stieß Caelian
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