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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und jetzt ist alles Vertiko!«
    Er war nicht überzeugt, seine praktisch-patrizische Natur glaubte nicht an die Dauer solcher Erregungen, aber er sagte doch: »Es sei. Versuchen wir's. Also
    ein neues Leben, Melanie!«
    »Ein neues Leben! Und das erste ist, wir geben diese Wohnung auf und suchen uns eine bescheidenere
    Stelle. Mansarde klingt freilich anspruchslos genug, aber dieser Trumeau und diese Bronzen sind um so
    anspruchsvoller. Ich habe nichts gelernt, und das ist gut, denn wie die meisten, die nichts gelernt haben, weiß ich allerlei. Und mit Toussaint L'Ouverture fangen wir an, nein, nein, mit Toussaint-Langenscheidt, und in acht Tagen oder doch spätestens in vier Wochen geb' ich meine erste Stunde. Wozu bin ich eine Genferin! Und nun sage: Willst du? Glaubst du?«
    »Ja.«
    »Topp.«
    Und sie schlug in seine Hand und zog ihn unter La-
    chen und Scherzen in das Nebenzimmer, wo das
    Vrenel in Abwesenheit des Dieners eben den Teetisch arrangiert hatte.
    Und sie hatten an diesem Unglückstage wieder einen
    ersten glücklichen Tag.

    196

22
    Versöhnt
    Und Melanie nahm es ernst mit jedem Worte, das sie
    gesagt hatte. Sie hatte dabei ganz ihre Frische wieder, und eh ein Monat um war, war die modern und
    elegant eingerichtete Wohnung gegen eine schlichte-
    re vertauscht, und das Stundengeben hatte begon-
    nen. Ihre Kenntnis des Französischen und beinahe
    mehr noch ihr glänzendes musikalisches, auch nach
    der technischen Seite hin vollkommen ausgebildetes
    Talent hatten es ihr leicht gemacht, eine Stellung zu gewinnen, und zwar in ein paar großen schlesischen
    Häusern, die gerade vornehm genug waren, den Ta-
    gesklatsch ignorieren zu können.
    Und bald sollte es sich herausstellen, wie nötig diese raschen und resoluten Schritte gewesen waren, denn
    der Zusammensturz erfolgte jäher als erwartet, und
    jede Form der Einschränkung erwies sich als gebo-
    ten, wenn nicht mit der finanziellen Reputation des großen Hauses auch die bürgerliche verloren gehen
    sollte. Jede neue Nachricht, von Frankfurt her, bes-tätigte dies, und Rubehn, der anfangs nur allzu ge-
    neigt gewesen war, den Eifer Melanies für eine bloße Opfercaprice zu nehmen, sah sich alsbald gezwun-gen, ihrem Beispiele zu folgen. Er trat als amerikanischer Korrespondent in ein Bankhaus ein, zunächst
    mit nur geringem Gehalt, und war überrascht und
    glücklich zugleich, die berühmte Poetenweisheit von der »kleinsten Hütte« schließlich an sich selber in Erfüllung gehn zu sehn.

    197
    Und nun folgten idyllische Wochen, und jeden neuen
    Morgen, wenn sie von der Wilmersdorfer Feldmark
    her am Rande des Tiergartens hin ihren Weg nah-
    men und an ihrer alten Wohnung vorüberkamen,
    sahen sie zu der eleganten Mansarde hinauf und at-
    meten freier, wenn sie der zurückliegenden schweren und sorgenreichen Tage gedachten. Und dann bogen
    sie plaudernd in die schmalen, schattigen Gänge des Parkes ein, bis sie zuletzt unter der schrägliegenden Hängeweide fort, die zwischen dem Königsdenkmal
    und der Louiseninsel steht und hier beinahe den Weg sperrt, in die breite Tiergartenstraße wieder einmündeten. Den schrägliegenden Baum aber nannten sie
    scherzhaft ihren Zoll- und Schlagbaum, weil sich
    dicht hinter demselben ein Leiermann postiert hatte, dem sie Tag um Tag ihren Wegezoll entrichten muß-
    ten. Er kannte sie schon, und während er die große
    Mehrheit, als wären es Steuerdefraudanten, mit ei-
    nem zornig-verächtlichen Blicke verfolgte, zog er vor unserem jungen Paare regelmäßig seine Militärmüt-ze. Ganz aber konnt' er sich auch ihnen gegenüber
    nicht zwingen und verleugnen, und als sie den schon Pflicht gewordenen Zoll eines Tages vergessen oder
    vielleicht auch absichtlich nicht entrichtet hatten, hörten sie, daß er die Kurbel in Wut und Heftigkeit noch dreimal drehte und dann so jäh und plötzlich
    abbrach, daß ihnen ein paar unfertige Töne wie
    Knurr- und Scheltworte nachklangen. Melanie sagte:
    »Wir dürfen es mit niemand verderben, Ruben;
    Freundschaft ist heuer rar.« Und sie wandte sich
    wieder um und ging auf den Alten zu und gab ihm.
    Aber er dankte nicht, weil er noch immer in halber
    Empörung war.

    198
    Und so verging der Sommer, und der Herbst kam,
    und als das Laub sich zu färben und an den Ahorn-
    und Platanenbäumen auch schon abzufallen begann,
    da hatte sich bei denen, die Tag um Tag unter diesen Bäumen hinschritten, manches geändert, und zwar
    zum Guten geändert. Wohl hieß es auch jetzt noch,
    wenn

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