Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)
und Anzeichen von Aufregung vertuschen zu können, doch muss sie Herzklopfen verspürt haben, als sie vor dem Earl einen Knicks machte. Zu mehr als einem kurzen Gespräch und ein oder zwei Tänzen wird es nicht gekommen sein, doch reichte dies aus, um die beiden füreinander einzunehmen. Als Almina an jenem Abend den Buckingham Palace verließ, war sie von dem jungen Mann, den sie soeben kennengelernt hatte, begeistert. Nun blieb ihr natürlich nichts anderes übrig, als abzuwarten, was sich aus der Begegnung entwickeln würde. Vielleicht würde sie nie wieder von dem Earl hörte. Dieser jedoch war von dem reizenden Mädchen angetan, und er war sich bald darüber im Klaren, dass Almina nicht nur hübsch, charmant und unterhaltsam war, sondern auch Freunde in den wohlhabendsten Zirkeln von London besaß.
Wenn ein junger Mann aus gutem Hause danach strebte, ein beträchtliches Vermögen zu erlangen, war es naheliegend, sich bei den Bankiersfamilien umzusehen, die in der 1860er-Jahren durch Spekulationen sagenhafte Reichtümer erworben hatten. Die viktorianische Zeit wird oft mit strengen Moralvorstellungen und einem prüden Verhaltenskodex assoziiert, sie war aber auch eine Epoche des Materialismus und der ungestümen Zuversicht. Mit der Ausdehnung des britischen Weltreichs erweiterten sich auch die geschäftlichen Interessen des Landes. In der City of London häuften Männer, die dazu bereit waren, Darlehen an die Regierung, die Ostindien-Kompanie oder sogar an einzelne Unternehmen zu vergeben, schwindelerregende Summen an. Einer dieser Männer war Alfred de Rothschild, der einer Familie entstammte, die seit zwei Generationen zu den bedeutendsten Finanziers des britischen Expansionsstrebens gehörte.
Alfreds Vater, Baron Lionel de Rothschild, hatte von seinem Vater, Nathan Mayer Rothschild, ein in äußerst kurzer Zeit zusammengetragenes, gewaltiges Vermögen geerbt. Nathan siedelte 1798 von Deutschland nach England über und etablierte in den darauffolgenden 30 Jahren die Rothschilds als führende Bankiersfamilie Europas. Baron Lionel führte die Arbeit seines Vaters fort und war im Lauf seines Lebens an der Beschaffung von etwa 160 Millionen Pfund für die britische Regierung beteiligt. 1875 brachte er zum Beispiel die für den Erwerb der von dem ägyptischen Khediven gehaltenen Anteile am Sueskanal benötigten vier Millionen Pfund auf. Allein bei diesem Geschäft erzielte er einen Gewinn von 100 000 Pfund. Sein Vermächtnis zeugt von seinem brillanten Urteilsvermögen und seinem enormen Einfluss. 1858 war er der erste Jude, der in das Unterhaus des britischen Parlaments einzog, ohne aufgefordert gewesen zu sein, sich dafür von seinem Glauben loszusagen.
Alfred war der zweite der drei Söhne Lionels. Sein älterer Bruder Natty wurde 1885 von Königin Victoria in den Adelsstand erhoben und wurde dadurch zum ersten jüdischen Vertreter des britischen Oberhauses. Die Leidenschaft von Alfreds jüngerem Bruder Leopold gehörte der Rennbahn, er war prominentes Mitglied des Jockey Club. Alfred war fleißig, lebte aber auch gern auf großem Fuß. Er arbeitete sein ganzes Leben lang in der familieneigenen Bank, auch wenn er dort selten vor Mittag erschien. Im Alter von 26 Jahren wurde er Direktor der Bank of England, diesen Posten versah er 20 Jahre lang. Als er 1892 von der britischen Regierung zu einer Konferenz des internationalen Finanzwesens entsandt wurde, war er der einzige Bankier, der mit vier Kammerdienern, einer riesigen Anzahl Gepäckstücke und einer makellosen Ansteckblume anreiste.
Als Lord Carnarvon, vermutlich zur Jagd, Halton House erstmalig im Dezember 1892 besuchte, hatte die Familie der Rothschilds keinen geringen Status inne. Ihre Bereitschaft, große Summen in den Dienst der britischen Krone zu stellen, und ihr bereitwilliges Engagement für wohltätige Zwecke verhalfen ihr in vornehmen Kreisen zu Ansehen. Sir Alfred stand wie kein anderer für den sozialen Aufstieg innerhalb der viktorianischen Gesellschaft
Endgültige Anerkennung brachte Sir Alfred seine Freundschaft mit Seiner Königlichen Hoheit, dem Prince of Wales, ein. Alfred hatte die Erziehung eines englischen Gentlemans genossen und während seiner Studienzeit am Trinity College in Cambridge mit dem Prinzen enge Freundschaft geschlossen. Die beiden hatten erstaunlich viel gemeinsam. Sie hatten deutsche Vorfahren und beherrschten deren Sprache ebenso wie das Französische, dennoch waren sie Teil des englischen Establishments. Sie
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