Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)
Sonne strömte durch die neuen Buntglasfenster, die Darstellungen englischer Helden aus mehreren Jahrhunderten zeigten. Die altehrwürdige Kirche neben der Westminster Abbey war vor Kurzem von dem viktorianischen Architekten Sir George Gilbert Scott renoviert worden. Als Inbegriff der für diese Epoche typischen Kombination aus Tradition und Moderne bildete sie den perfekten Rahmen für die Hochzeit zweier Menschen, die völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten angehörten und von denen jeder etwas in die Ehe einbrachte, was dem anderen fehlte.
Als der Organist, Mr Baines, das Kirchenlied »The Voice That Breathed o’er Eden« anstimmte, machte Almina, die am Portal gewartet hatte, die ersten Schritte zum Altar. Sie ging langsam und so ruhig und würdevoll, wie es ihr angesichts der auf sie gerichteten Augen aller möglich war, ihre Hand ruhte auf der ihres Onkels, Sir George Wombwell. Gewiss war sie nervös, aber auch voller Erwartung. Der Schwager ihres Bräutigams, Lord Burghclere, hatte Almina einmal als »etwas einfältige Jungfer« bezeichnet, die aber auch »bis über beide Ohren verliebt« zu sein schien und in den Wochen und Tagen vor der Hochzeit kaum an sich halten konnte.
Vielleicht wurde Alminas Selbstvertrauen dadurch bestärkt, dass sie sich ihres anmutigen Anblicks durchaus bewusst war. Sie war zart, knapp über einen Meter fünfzig groß, hatte blaue Augen und eine gerade, wohlgeformte Nase. Ihr glänzendes braunes Haar war zu einer eleganten Frisur hochgesteckt. Ihre künftige Schwägerin, Winifred Burghclere, beschrieb Almina als »sehr hübsch, mit einer makellosen Figur und Wespentaille«.
Unter einem Schleier aus zartem Seidentüll trug sie einen Kranz Orangenblüten. Ihr Kleid war im Pariser House of Worth angefertigt worden. Charles Frederick Worth, der exklusivste Couturier seiner Zeit, war für den Einsatz luxuriöser Materialien und seine hervorragenden Schnitte berühmt. Alminas Kleid aus exquisiter Duchesse besaß eine lange Schleppe, der Schleier war elegant auf einer Schulter gerafft. In den Rock waren echte Orangenblüten eingewirkt. Auch ein Geschenk des Bräutigams, ein Stück sehr alter, äußerst seltener französischer Spitze, war in das Hochzeitskleid eingearbeitet worden.
Mit diesem prächtigen Ensemble setzte Almina ihren Auftritt auf der öffentlichen Bühne der gehobenen Gesellschaft wirkungsvoll in Szene. Zwar war sie bereits im Mai 1893 von ihrer Tante, Lady Julia Wombwell, bei Hof vorgestellt worden, anschließend waren ihr die höchst exklusiven Gesellschaften, bei denen die Auswahl der Gäste nach strengen Regeln erfolgte, jedoch verschlossen geblieben. Gegen die zahllosen Gerüchte bezüglich ihrer Abstammung väterlicherseits waren auch Alminas exquisiter Kleidungsstil und ihre tadellosen Manieren machtlos. Der Zutritt zu den Salons der hochherrschaftlichen Damen, die die Fäden der gesellschaftlichen Etikette in der Hand hielten, war ihr verwehrt geblieben, die für eine gesellschaftliche Debütantin bedeutenden Bälle, die jungen Fräuleins die Gelegenheit boten, die Aufmerksamkeit eines heiratswürdigen Gentleman zu erregen, hatte sie nicht besucht. Dennoch hatte Almina einen Mann aus den besten Kreisen für sich eingenommen und präsentierte sich nun in einem für eine Frau, die in die höchsten Ränge der Aristokratie aufstieg, passenden Kleid.
Almina folgten acht Brautjungfern und zwei Pagen: ihre Cousine, Miss Wombwell, die beiden jüngeren Schwestern ihres Bräutigams, Lady Margaret und Lady Victoria Herbert, Lady Kathleen Cuffe, Prinzessin Kathleen Singh sowie Prinzessin Sophie Singh, Miss Evelyn Jenkins und Miss Davies. Die Brautjungfern trugen cremefarbenen Seidenmusselin über weißen, mit hellblauen Bändern verzierten Satinröcken. Farblich passende, mit Musselin, Federn und Bändern geschmückte Strohhüte rundeten das zauberhafte Bild ab. Die Pagen, der Ehrenwerte Mervyn Herbert und Lord Arthur Hay, erschienen in weiß-silberner höfischer Tracht aus der Zeit Ludwigs XV.
Almina kannte ihren Bräutigam seit fast eineinhalb Jahren. Sie waren noch nie miteinander allein gewesen, hatten sich aber bei einem halben Dutzend geselliger Anlässe getroffen – für Almina sicherlich nicht genug Gelegenheit, um wahrzunehmen, dass der Gehrock, den ihr Bräutigam bei der Hochzeit zu tragen überredet worden war, sich deutlich von dessen sonst eher legerem Kleidungsstil unterschied.
Als das junge Paar vor dem Traualtar stand, war in seinem Rücken
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