Lady Chatterley (German Edition)
wenig verärgert, wenn Giovanni zu viel Wein trank und ungeschickt ruderte, mit allzu heftigen Schlägen des großen Ruders. Er war ein Mann, wie Mellors ein Mann war, unprostituiert. Connie bedauerte die Frau des leicht überfließenden Giovanni. Danieles Frau hingegen konnte eine von den süßen Venezianerinnen aus dem Volk sein, wie man sie noch immer sieht: bescheiden und blumenhaft im Hintergrund dieser labyrinthischen Stadt.
Wie traurig war es, daß der Mann erst die Frau prostituierte und dann die Frau den Mann. Giovanni lechzte danach, sich zu prostituieren, er geiferte wie ein Hund vor Gier, sich einer Frau hinzugeben. Für Geld!
Connie sah zurück auf Venedig, das fern, niedrig und rosenfarben über dem Wasser lag. Erbaut aus Geld, erblüht aus Geld und tot vor Geld. Die Geldstarre! Geld, Geld, Geld, Prostitution und Starre.
Doch Daniele war ein Mann und der freien Treue eines Mannes noch fähig. Er trug nicht die Bluse der Gondolieri, nur den blaugestrickten Pullover. Er war wild, ungebärdig und stolz. Und doch war er der Mietling des recht hündischen Giovanni, und der wiederum war ein Mietling von zwei Frauen. So ist es! Als Jesus das Geld des Teufels ausschlug, ließ er den Teufel wie einen jüdischen Bankier zurück, als Herrn der ganzen Situation.
Connie kehrte immer wieder wie in einer Betäubung aus dem blendenden Licht der Lagune zurück und fand dann Briefe von zu Hause vor. Clifford schrieb regelmäßig. Er schrieb sehr gute Briefe: man hätte sie alle als Buch drucken können. Und aus diesem Grund fand Connie sie nicht sonderlich interessant.
Sie lebte wie in einer Betäubung, benommen vom Licht der Lagune, von der spülenden Salzigkeit des Wassers, von der Weite, von der Leere, vom Nichts, benommen von Gesundheit, Gesundheit, tief und schwer benommen. Es war angenehm, und sie wurde ganz eingewiegt davon, und sie kümmerte sich um nichts. Überdies war sie schwanger. Sie wußte es jetzt. So wurde die Betäubung durch das Sonnenlicht und das Lagunensalz und das Baden im Meer und das Sonnen auf steinigem Grund und das Muschelsuchen und das weit, weit Davongleiten in einer Gondel vollkommen gemacht durch die Frucht in ihr, durch diese zusätzliche Fülle an Gesundheit, die sie zufrieden machte und betäubte.
Sie war jetzt vierzehn Tage in Venedig, und sie würde noch zehn oder vierzehn Tage hierbleiben. Der Sonnenglast verhängte jede Zeitrechnung, und die Fülle körperlicher Gesundheit machte die Vergessenheit vollkommen. Sie lebte in einer Betäubung von Wohlbefinden dahin.
Bis ein Brief von Clifford sie aufstörte:
«Auch wir hatten unsere gelinde Lokalsensation. Es scheint, als ob die verbummelte Frau von Mellors, dem Heger, im Waldhaus auftauchte und feststellen mußte, daß sie unwillkommen war. Er warf sie hinaus und versperrte die Tür. Jedoch, die Kunde geht, daß, als er aus dem Wald heimkam, er die nicht mehr knusprige Dame in seinem Bett vorfand, wo sie sich fest eingenistet hatte – in puris naturalibus ; oder richtiger, in impuris naturalibus. Sie hatte ein Fenster eingeschlagen und war auf diese Weise hineingelangt. Außerstande, die reichlich abgegriffene Venus von seinem Lager zu vertreiben, trat er den Rückzug an und ließ sich, so heißt es, im Haus seiner Mutter in Tevershall nieder. In der Zwischenzeit hat sich die Venus von Stacks Gate im Forsthaus eingerichtet, das sie als ihr Heim beansprucht, und Apoll hat sich allem Anschein nach in Tevershall niedergelassen.
Ich kann Dir dies alles nur vom Hörensagen vermitteln, denn Mellors ist nicht persönlich bei mir gewesen. Ich erhielt diesen besonderen Leckerbissen vom lokalen Misthaufen von unserem Aasgeier, unserem Ibis, unserem schmutzauflesenden Hühnerhabicht, Mrs. Bolton. Ich würde es Dir nicht wiederholt haben, hätte sie nicht ausgerufen: ‹Ihre Gnaden werden nicht mehr in den Wald gehen, wenn dieses Weib sich da rumtreibt!›
Deine Schilderung von Sir Malcolm hat mir gefallen, wie er mit weiß flatterndem Haar und glühendem, rosigem Fleisch in die Fluten schreitet. Ich beneide Dich um diese Sonne. Hier regnet es. Aber ich beneide Sir Malcolm nicht um seine unausrottbare sterbliche Fleischeslust. Sie paßt allerdings zu seinem Alter. Anscheinend wird man immer fleischlicher und sterblicher, je älter man wird. Nur um die Jugend weht ein Hauch von Unsterblichkeit …»
Diese Nachricht riß Connie aus ihrem Zustand betäubten Wohlbefindens und brachte einen Verdruß über sie, der sich zu reiner
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