Lady Chatterley (German Edition)
Meinst du diese Art Liebe? Oder die Gütergemeinschaftsliebe, die Mach-was-Gutes-draus-Liebe, die Mein-Mann-meine-Frau-Liebe? Nein, mein lieber Junge, ich glaube weiß Gott nicht daran!»
«Aber du glaubst doch an irgend etwas?»
«Ich? Oh, mit dem Verstand glaube ich daran, daß man ein gutes Herz haben soll, einen munteren Penis, eine lebhafte Intelligenz und die Courage, in Gegenwart einer Dame ‹Scheiße› zu sagen.»
«Na, das hast du ja alles», sagte Berry.
Tommy Dukes brüllte vor Lachen. «Du Engelsknabe! Wenn es nur so wäre! Wenn es nur so wäre! Nein, mein Herz ist so stumpf und dumpf wie eine Kartoffel, mein Penis ist schlapp und hebt nie den Kopf, ich würde ihn mir eher abschneiden, als in Gegenwart meiner Mutter oder meiner Tante ‹Scheiße› zu sagen – die sind nämlich wirkliche Damen, und ich bin nicht wirklich intelligent, ich bin nur ein ‹Im-Geiste-Lebender›. Es wäre herrlich, intelligent zu sein: dann würde man in allen erwähnten und nicht erwähnbaren Teilen lebendig sein. Der Penis würde den Kopf heben und allen wahrhaft intelligenten Menschen guten Tag sagen. Renoir hat gesagt, er habe seine Bilder mit seinem Penis gemalt … und er tat es auch, herrliche Bilder! Ich wollte, ich könnte irgend etwas mit meinem tun! Gott, wenn man nichts als reden kann! Eine Tortur mehr für den Hades! Und Sokrates hat damit angefangen!»
«Es gibt nette Frauen in der Welt.» Connie hob den Kopf und sagte endlich auch etwas.
Das mochten die Männer gar nicht. Sie hätte sich den Anschein geben müssen, als höre sie nicht zu. Sie haßten es, wenn sie zeigte, daß sie einem solchen Gespräch aufmerksam gefolgt war.
«Mein Gott! –
Wenn sie nicht nett zu mir sind,
Was geht’s mich an, wie sie zu dir sind? –
Nein, es ist hoffnungslos! Ich kann einfach nicht mit einer Frau im gleichen Rhythmus schwingen. Und es gibt keine Frau, nach der es mich wirklich verlangt, wenn ich ihr gegenüberstehe, und ich habe nicht die Absicht, mich dazu zu zwingen … Mein Gott, nein! Ich bleibe, was ich bin, und führe ein geistiges Leben. Das ist das einzig Ehrliche, was ich tun kann. Wenn ich mich mit Frauen unterhalte – das macht mich ganz glücklich; aber es ist alles so keusch, so hoffnungslos keusch. Hoffnungslos keusch! Was sagst du dazu, Hildebrand, mein Küken?»
«Es ist viel weniger kompliziert, wenn man keusch bleibt», erwiderte Berry.
«Ja, das Leben ist eben viel zu einfach!»
FÜNFTES KAPITEL
An einem frostigen, von einer kleinen Februarsonne beschienenen Morgen machten Clifford und Connie einen Spaziergang durch den Park und dann in den Wald. Das heißt, Clifford tuckerte in seinem Motorstuhl dahin, und Connie ging neben ihm her.
Die harsche Luft war noch immer schweflig, aber sie waren beide daran gewöhnt. Um den nahen Horizont hatte sich der Dunst gehängt, opalisierend vor Frost und Rauch, und darüber lag ein kleiner blauer Himmel. Es war, als sei man in ein Gehege gesperrt, immer eingesperrt. Das Leben immer ein Traum oder eine Raserei in einem Gehege.
Im harten, welken Gras des Parks husteten die Schafe, dort, wo der Frost bläulich um die Soden lag. Ein Pfad führte durch den Park zum Holzgatter – ein schmales rosa Band. Clifford hatte ihn neu bestreuen lassen, mit gesiebtem Kies von der Grubenhalde. Wenn Gestein und Abfall der Unterwelt ausgebrannt waren und ihren Schwefel abgesondert hatten, wurden sie hellrosa – garnelenfarben an trockenen Tagen, dunkler, krabbenfarben an nassen. Heute war der Kies blaß garnelenfarben und mit einem bläulich-weißen Rauhreif überzogen. Connie hatte immer Freude daran, an diesem Läufer aus gesiebtem, hellem Rosa. Ein unguter Wind wehte, niemandes Freund.
Clifford steuerte vorsichtig den Hügelhang vorm Haus hinunter, und Connie hielt die Hand an der Lehne. Vor ihnen lag der Wald – erst das Haselstrauchdickicht und dahinter die lichte Purpurwand der Eichen. Am Waldrand hoppelten und nagten Kaninchen. Saatkrähen stoben in jähem schwarzen Zug auf und strichen davon über den kleinen Abhang.
Connie stieß das Gatter auf, und Clifford tuckerte langsam auf den breiten Reitweg, der zwischen den sauber beschnittenen Haselnußsträuchern einen Hang hinaufführte. Dieser Wald war ein letzter Rest des großen Forstes, in dem einst Robin Hood gejagt hatte; und der Reitweg war eine uralte Überlandstraße. Jetzt aber war er nur noch ein Pfad durch einen Privatwald. Die Straße von Mansfield schwenkte nach Norden ab.
Im Wald
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