Lady Chatterley (German Edition)
Wahrhaftig, du hast’n Glück heut morgen!»
Sie sprach den Namen aus wie alle Leute hier: Chatley. «Ist Lady Chatley aber gut zu dir!» Connie konnte nicht anders, sie mußte auf die Nase der Alten schauen, und die Frau wischte wieder unsicher mit dem Handrücken darüber, aber sie verfehlte den Fleck.
Connie machte Anstalten zu gehen. «Wirklich, Lady Chatley, ich danke Ihnen vielmals. Sag danke schön zu Lady Chatterley!»
«Danke schön», piepste das Kind.
«Du bist ein Schatz!» lachte Connie und verabschiedete sich mit einem guten Morgen, von Herzen erleichtert, diese Begegnung hinter sich zu haben. Sonderbar, dachte sie, daß dieser hagere, stolze Mann so eine kleine, scharfe Frau zur Mutter hatte! Und die alte Frau hastete, sobald Connie gegangen war, zum Spiegelscherben in der Küche, um ihr Gesicht zu besehen. Und als sie es sah, stampfte sie vor Verdruß mit dem Fuß auf. «Natürlich! Ausgerechnet in meiner groben Schürze mußte sie mich erwischen, und mit schmutzigem Gesicht! Feinen Eindruck muß sie von mir bekommen haben!»
Connie ging langsam heim nach Wragby. «Heim!» … das war ein warmes Wort für den großen, ungemütlichen Kaninchenbau! Aber schließlich, es war auch ein Wort, das überholt war. Es war irgendwie annulliert worden. All die großen Worte, so schien es Connie, waren für ihre Generation annulliert worden: Liebe, Freude, Glück, Heim, Mutter, Vater, Mann – all diese großen, kraftvollen Worte waren halb erstorben jetzt und starben von Tag zu Tag mehr. Heim – das war der Platz, wo man wohnte, Liebe war etwas, um dessentwillen man sich nicht zum Narren machte, Freude war ein Wort, das man bei einem guten Charleston anwandte, Glück ein Terminus der Heuchelei, den man benutzte, um andere Leute zu bluffen, ein Vater war ein Individuum, das sein eigenes Dasein genoß, ein Ehemann war ein Mensch, mit dem man lebte und den man bei guter Laune hielt. Und Sexus, das letzte der großen Worte – das war nur ein Cocktail-Name für eine Aufreizung, die einen für eine Weile aufputschte und dann müder und verbrauchter denn je zurückließ. Verschlissen! Es war, als sei der Stoff, aus dem man bestand, aus billiger Ware verfertigt, und als zerschleiße er zu nichts.
Alles, was am Ende übrigblieb, war ein halsstarriger Stoizismus, und darin lag ein gewisses Vergnügen. In dem Erleben der Nichtigkeit des Daseins, Phase auf Phase, étape auf étape , lag eine gewisse schreckliche Genugtuung. Das wäre es also! Immer war dies das letzte Wort – Heim, Liebe, Ehe, Michaelis: Das wäre es also! Und wenn man starb, würden dies die letzten Worte ans Leben sein: Das wäre es also!
Geld? Vielleicht konnte man dabei nicht dasselbe sagen. Geld wollte man immer. Geld, Erfolg, die Hundsgöttin, wie Tommy Dukes hartnäckig sagte – nach Henry James –, das war eine permanente Notwendigkeit. Man konnte nicht seinen letzten Sou ausgeben und abschließend sagen: Das wäre es also! Nein, selbst wenn man nur noch zehn weitere Minuten zu leben hätte, brauchte man noch ein paar Sous für dies oder jenes. Einfach um das Getriebe mechanisch in Gang zu halten, brauchte man Geld. Man mußte es eben haben. Geld muß man haben. Etwas anderes brauchte man im Grunde nicht. Das wäre es also!
Schließlich ist es nicht deine Schuld, daß du am Leben bist. Wenn du aber einmal am Leben bist, ist Geld eine Notwendigkeit, die einzige unabdingbare Notwendigkeit. Was das übrige angeht – zur Not kannst du ohne all das auskommen. Aber nicht ohne Geld. Ganz ausdrücklich: Das wäre es also!
Sie dachte an Michaelis und an das Geld, das sie mit ihm hätte haben können; und selbst das wollte sie nicht. Sie zog die geringere Summe vor, die sie Clifford mit seiner Schriftstellerei verdienen half. Die sie tatsächlich verdienen half. – «Clifford und ich, wir verdienen zusammen zwölfhundert Pfund im Jahr mit der Schriftstellerei», so nannte sie es bei sich. Geld verdienen! Es verdienen! Es aus der Luft holen! Die letzte Großtat, auf die der Mensch stolz sein konnte. Alles übrige sentimentaler Kram.
So trottete sie heim zu Clifford, um ihre Kraft der seinen zu verbinden, um wieder eine Geschichte aus dem Nichts zu fabrizieren: und eine Geschichte bedeutete Geld. Clifford schien es sehr wichtig zu nehmen, ob man seine Geschichten für erstklassige Literatur hielt oder nicht. Für sie jedoch war es, genaugenommen, nicht wichtig. Nichts dahinter! sagte ihr Vater. Zwölfhundert Pfund im letzten Jahr! war die
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