Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
Vom Netzwerk:
Sexualzwang! Ich lehne ihn ab!»
    Connie wußte, daß er ganz recht hatte. Aber sie kam sich verloren vor, verloren und ohne Halt. Wie ein Span auf einem trüben Teich kam sie sich vor. Was für einen Sinn hatte sie und überhaupt alles? Ihre Jugend war es, die sich auflehnte. Diese Männer schienen so alt und kalt. Alles schien alt und kalt. Und Michaelis war eine solche Enttäuschung; er war nichts wert. Die Männer wollten einen nicht; im Grunde wollten sie einfach keine Frau – auch Michaelis nicht.
    Und die Halunken, die so taten, als ob, und mit dem Sexualspiel anfingen, die waren die Schlimmsten.
    Es war eben traurig, man mußte sich damit abfinden. Es stimmte durchaus: Männer hatten keinen rechten Zauber für eine Frau. Das Beste, was man tun konnte, war noch, es sich einzureden, so wie sie es sich bei Michaelis eingeredet hatte. Unterdessen lebte man so dahin, da war nichts zu machen. Sie begriff vollkommen, warum die Leute Cocktailparties veranstalteten und Jazz machten und Charleston tanzten, bis sie umfielen. Man mußte sie ausleben, die Jugend, so oder so, sonst verschlang sie einen. Aber was für eine grauenvolle Sache, Jugend! Man fühlte sich so alt wie Methusalem, und doch summte und prickelte es in einem und ließ einem keine Ruhe. Ein erbärmliches Leben! Und keine Aussichten! Fast wünschte sie, sie wäre mit Mick davongegangen und hätte ihr Leben zu einer einzigen langen Cocktailparty gemacht, zu einem Jazz-Abend. Das war auf jeden Fall besser, als sich allmählich ins Grab zu spintisieren.
    An einem ihrer schwarzen Tage ging sie allein in den Wald hinaus, gedankenschwer, achtlos, nicht einmal wissend, wo sie war. Ein Gewehrschuß in der Nähe erschreckte und erzürnte sie. Als sie weiterging, hörte sie Stimmen und lief zurück. Menschen! Sie wollte keine Menschen. Doch ihr feines Ohr nahm einen anderen Laut wahr, und sie wurde aufmerksam: ein Kind, das schluchzte. Sie spannte sich: jemand mißhandelte ein Kind. Raschen Schrittes ging sie den nassen Waldweg hinunter, dumpfe Empörung stieg in ihr hoch. Sie war in der rechten Verfassung, eine Szene zu machen.
    Als sie um eine Biegung kam, sah sie zwei Gestalten weit vorn auf dem Weg stehen: den Waldhüter und ein kleines, heulendes Mädchen in einem lila Mantel und einer Maulwurfsmütze.
    «Nu hör schon auf, du verlogenes kleines Biest!» hörte sie die zornige Stimme des Mannes, und das Kind schluchzte lauter.
    Mit flammenden Augen kam Constance näher. Der Mann drehte sich um und sah ihr entgegen; er grüßte kühl, aber er war bleich vor Wut.
    «Was ist los? Warum weint sie?» fragte Constance in herrischem Ton, doch ein wenig atemlos.
    Ein flüchtiges Lächeln – wie Hohn – kam ins Gesicht des Mannes. «Sie müssen sie schon selber fragen», sagte er stur, in breitem Dialekt.
    Connie war, als hätte er ihr ins Gesicht geschlagen; sie wechselte die Farbe. Dann nahm sie all ihren Trotz zusammen und sah ihn an – ihre dunklen blauen Augen flammten ungewiß.
    «Ich habe Sie gefragt!» stieß sie hervor.
    Er machte eine merkwürdige kleine Verbeugung und zog den Hut. «Gewiß, Euer Gnaden», sagte er; dann, in den Dialekt zurückfallend: «Aber ich kann’s Ihnen nicht sagen.» Und er wurde zu einem Soldaten – undurchschaubar, blaß vor Ärger.
    Connie wandte sich dem Kind zu, einem robusten, schwarzhaarigen kleinen Ding von neun oder zehn Jahren. «Was ist denn, mein Liebes? Sag mir doch, warum du weinst!» lockte sie mit der in solchen Fällen üblichen, übertriebenen Freundlichkeit. Noch heftigeres Schluchzen, Verlegenheit. Noch mehr Freundlichkeit von Connies Seite.
    «Aber, aber, nun wein doch nicht so! Sag mir, was man dir getan hat!» … Betonte Sanftheit in der Stimme. Gleichzeitig griff sie in die Tasche ihrer Strickjacke und fand glücklicherweise ein Sixpence-Stück.
    «Nun wein mal nicht», sagte sie und beugte sich zu dem Kind herab, «schau mal, was ich für dich habe!»
    Schluchzen, Schniefen, eine Faust wurde weggezogen vom tränenverschmierten Gesicht, und ein schwarzes, schlaues Auge streifte mit einem schnellen Blick das Sixpence-Stück. Dann wieder Schluchzen, aber ein wenig leiser. «Na komm, sag mir, was los ist!» flötete Connie und schob die Münze in die plumpe kleine Hand des Kindes, die sich fest darum schloß.
    «Es ist wegen … wegen … der Mieze!»
    Schauer verebbenden Schluchzens.
    «Welche Mieze, mein Schatz?»
    Nach einer Weile wies die scheue kleine Faust, die sich um das Sixpence-Stück krallte,

Weitere Kostenlose Bücher