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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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hab’s nie geglaubt, obwohl ich ihn doch mit meinen eigenen Händen gewaschen habe. Aber er ist nie tot für mich gewesen, nie. Ich hab’s nie richtig fassen können.»
    Das war eine neue Stimme auf Wragby, eine sehr neue für Connies Ohren. Das ließ sie aufhorchen.
    Während der ersten Woche ungefähr war Mrs.   Bolton sehr still in Wragby; ihre selbstsichere, herrische Art war von ihr abgefallen, und sie war sehr befangen. Clifford gegenüber verhielt sie sich scheu, fast ängstlich, und schweigsam. Ihm gefiel das; er erlangte bald seine Fassung wieder und ließ sie für ihn Verrichtungen tun, ohne sie zu beachten.
    «Sie ist eine nützliche Null», sagte er. Connie riß erstaunt die Augen auf, widersprach ihm aber nicht. So verschieden sind die Eindrücke auf zwei verschiedene Menschen!
    Und bald legte er sich ein hochtrabendes, großmütiges Gebaren der Pflegerin gegenüber zu. Sie hatte das erwartet, und ohne es zu wissen, trug er diesen Erwartungen Rechnung. So empfänglich sind wir für das, was von uns erwartet wird! Die Bergleute waren wie Kinder gewesen – wenn sie sie verband oder sie pflegte, sprachen sie mit ihr und erzählten ihr, wo es ihnen weh tat. Wenn sie ihnen half, war sie sich immer so groß, fast übermenschlich vorgekommen. Und Clifford gab ihr nun das Gefühl, sehr klein zu sein, eine Bedienstete; aber sie nahm das ohne ein Wort hin, paßte sich den oberen Klassen an.
    Sie kam immer sehr geräuschlos herein, mit ihrem langen, hübschen Gesicht und niedergeschlagenen Augen, um ihm zur Verfügung zu stehen. Und sehr demütig fragte sie: «Soll ich dies jetzt tun, Sir Clifford, oder soll ich das tun?»
    «Nein, lassen Sie es noch eine Weile, ich werde Ihnen später Bescheid geben.»
    «Sehr wohl, Sir Clifford.»
    «Kommen Sie in einer halben Stunde wieder herein.»
    «Sehr wohl, Sir Clifford.»
    «Und nehmen Sie doch bitte diese alten Zeitungen gleich mit hinaus.»
    «Sehr wohl, Sir Clifford.»
    Leise ging sie hinaus, und nach einer halben Stunde kam sie leise wieder herein. Sie war eingeschüchtert, aber das machte ihr nicht viel aus. Sie erlebte die oberen Klassen. Clifford rührte sie nicht sonderlich; er war einfach ein Teil eines Phänomens, des Phänomens der Oberen, das ihr bisher unbekannt war, sich ihr jetzt aber erschloß. Bei Lady Chatterley fühlte sie sich wohler, und schließlich kommt es ja auf die Herrin des Hauses am meisten an.
    Abends half Mrs.   Bolton Clifford ins Bett, und sie schlief seinem Zimmer gegenüber, auf der anderen Seite des Flurs, und kam zu ihm, wenn er nachts nach ihr läutete. Sie half ihm auch am Morgen, half ihm bald bei allem, rasierte ihn sogar in ihrer sanften, vorsichtigen, weiblichen Art. Sie war sehr gut und sehr tüchtig und verstand es bald, ihn in ihre Hand zu bekommen. Letzten Endes unterschied er sich gar nicht so sehr von den Bergleuten, wenn sie ihm das Kinn einseifte und weich über die Stoppeln strich. Der Hochmut und der Mangel an Offenheit berührten sie nicht sehr – sie machte eine neue Erfahrung.
    Clifford aber verzieh Connie bei sich nie ganz, daß sie es aufgegeben hatte, sich um seine leiblichen Bedürfnisse zu kümmern und das an ihrer Statt einer fremden, bezahlten Frau überließ. Es tötete – sagte er sich – die eigentliche Blume der Vertrautheit zwischen ihm und ihr. Aber Connie machte sich nichts daraus. Die schöne Blume ihrer Vertrautheit war für sie eher eine Orchidee, eine Knolle, die parasitisch auf dem Baum ihres Lebens saß und nach ihrer Ansicht ziemlich kümmerliche Blüten trieb.
    Jetzt hatte sie mehr Zeit für sich, konnte oben in ihrem Zimmer leise auf dem Klavier spielen und dazu singen: «Rühre nicht die Nessel an … denn der Liebe Band ist schwer zu lösen.» Bis vor kurzem hatte sie sich nicht klargemacht, wie schwer dies Liebesband zu lösen war. Doch dem Himmel sei Dank, sie hatte es gelöst! Sie war froh, allein zu sein, nicht immer mit ihm reden zu müssen. Wenn er allein war, tipp-tipp-tippte er auf der Schreibmaschine, endlos. Aber wenn er nicht «arbeitete», und sie war da, dann redete er unaufhörlich; endlose Analysen von Menschen und Motiven und Ergebnissen, Romangestalten und Persönlichkeiten, bis sie genug davon hatte. Jahrelang hatte sie es geliebt, aber jetzt hatte sie genug, es war zu viel. Sie war dankbar, allein zu sein.
    Es war, als seien Tausende und aber Tausende kleiner Wurzeln und Fäden des Bewußtseins in ihm und ihr zu einem wirren Knäuel zusammengewachsen, bis sie sich

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