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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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heim, wenn sie nicht irgendwo eingeladen war. Die jungen Leute amüsierten sich heute, waren nicht mehr so wie früher, als sie, Ivy Bolton, noch jung war.
    Ted Bolton war achtundzwanzig, als er bei einer Explosion unten in der Grube umkam. Der Vorarbeiter vorn schrie ihnen zu, sie sollten sich alle rasch auf den Boden werfen – sie waren zu viert. Und alle warfen sich rechtzeitig hin, nur Ted nicht, und er kam um. Und dann hieß es bei der Untersuchung durch die Grubenleitung, Ted hätte Angst bekommen und versucht wegzulaufen und den Befehlen nicht gehorcht, und so wäre es denn seine Schuld. Die Entschädigung betrug deswegen nur dreihundert Pfund, und sie taten noch so, als handle es sich dabei mehr um ein Geschenk als um eine rechtmäßige Entschädigung, weil der Mann nämlich selber Schuld gehabt hätte. Und sie wollten ihr das Geld nicht auszahlen; sie hätte gern ein kleines Geschäft aufgemacht. Aber sie sagten, sie würde das Geld todsicher verschwenden, vielleicht vertrinken! Also hatte sie es dreißigshillingweise – jede Woche – abzuheben. Ja, jeden Montag morgen mußte sie runter ins Verwaltungsgebäude und mehrere Stunden warten, bis sie an der Reihe war; ja, fast vier Jahre lang mußte sie jeden Montag dorthin. Was sollte sie tun mit zwei kleinen Kindern? Aber Teds Mutter war sehr gut zu ihr. Als das Kleine laufen konnte, nahm sie die Kinder tagsüber zu sich, und sie, Ivy Bolton, ging da nach Sheffield und lernte Krankenpflege, und dann, im vierten Jahr, machte sie sogar einen Schwesternkursus mit und bekam ihr Diplom. Sie war entschlossen, sich unabhängig zu machen und ihre Kinder zu behalten. So wurde sie also für eine Weile Hilfsschwester am Krankenhaus in Uthwaite, einem kleinen Ort. Aber als die Gesellschaft, die Tevershaller Bergwerksgesellschaft, eigentlich Sir Geoffrey, sah, daß sie allein fertig werden konnte, war sie sehr gut zu ihr und gab ihr die Gemeindeschwester-Stelle und stand ihr bei, das mußte sie schon sagen. Und so war es weitergegangen, bis heute, aber jetzt wurde es ihr ein bißchen zu viel, sie brauchte etwas Leichteres, es gab so viel Gelaufe, wenn man Gemeindeschwester war.
    «Ja, zu mir ist die Gesellschaft sehr gut gewesen, das muß ich ihr lassen. Aber ich werde nie vergessen, was sie über Ted gesagt haben; er war ein so zuverlässiger, furchtloser Kumpel wie kaum je einer, der seinen Fuß in den Förderkorb gesetzt hat, und was sie gesagt haben, ist genauso, wie wenn sie ihn zum Feigling gestempelt hätten. Aber er war nun mal tot und konnte niemandem heimleuchten.»
    Während die Frau so redete, kam eine merkwürdige Mischung von Gefühlen zutage. Sie hatte die Bergleute gern, die sie so lange Jahre betreut hatte, aber sie fühlte sich ihnen weit überlegen. Sie fühlte sich fast zur Oberklasse gehörig; und gleichzeitig schwelte in ihr ein Groll gegen die herrschende Schicht. Die Herren! Bei einer Kontroverse zwischen Herr und Untergebenem war sie immer für den Untergebenen. Aber wenn kein Streit vorlag, war sie darauf aus, über den anderen zu stehen, zur Oberklasse zu gehören. Die oberen Schichten zogen sie unwiderstehlich an, kamen ihrer kuriosen englischen Leidenschaft entgegen, über den anderen zu stehen. Es überrieselte sie beim Gedanken, nach Wragby zu kommen, mit Lady Chatterley zu sprechen – weiß Gott etwas anderes als die Frauen gewöhnlicher Grubenarbeiter! Sie sagte das ganz direkt. Aber man konnte trotzdem einen Groll gegen die Chatterleys durchklingen hören, Groll gegen die Herren.
    «Aber ja, natürlich würde es Lady Chatterley auf die Dauer zermürben! Es ist ein Glück, daß sie eine Schwester hat, die ihr zur Seite steht! Männer denken an so etwas nicht; ganz gleich, ob hoch oder niedrig, sie nehmen alles als selbstverständlich hin, was eine Frau für sie tut. Ach, tausendmal habe ich das den Bergleuten vorgehalten. Aber es ist sehr schwer für Sir Clifford, verstehen Sie, so verkrüppelt, wie er ist. Sie sind immer eine stolze Familie gewesen, sehr unnahbar, was ihnen ja auch zustand. Aber dann so herunterzukommen! Das ist ein schlimmes Los für Lady Chatterley, vielleicht schwerer für sie . Worauf sie alles verzichten muß! Ich hab Ted nur drei Jahre gehabt, aber, mein Wort, als ich ihn hatte, hab ich an ihm einen Mann gehabt, den ich nie mehr vergessen konnte. Er war einer unter tausend und so lustig wie der Tag. Wer hätte je gedacht, daß er so ums Leben kommen würde? Irgendwie kann ich’s bis heute noch nicht glauben; ich

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