Lady Chatterley (German Edition)
nur kalte Strömungen. Connie war im Wald seltsam erregt. Farbe stieg in ihre Wangen und brannte blau in ihren Augen. Langsam und schwer ging sie weiter, pflückte ein paar Schlüsselblumen und die ersten Veilchen – süß und kühl rochen sie, süß und kühl. Und sie trieb weiter, ohne zu wissen, wo sie war. Bis sie zu der Lichtung am anderen Ende des Waldes kam und das grünfleckige Steinhäuschen erblickte, dessen Steine, übergossen von jäh herabflutendem Sonnenlicht, aussahen wie das Fleisch unterm Hut des Pilzes. Und neben der Tür, der geschlossenen Tür, leuchtete gelber Jasmin. Aber kein Laut, kein Rauch aus dem Schornstein, kein Hundegebell.
Unbefangen ging sie hinter das Haus, wo die Böschung anstieg; sie hatte einen Vorwand, sie wollte die Narzissen sehen.
Und sie waren da, die kurzstieligen Blumen, raschelten und flatterten und erschauerten, leuchtend und lebendig, doch nirgendwo konnten sie ihre Gesichter bergen, wenn sie sie vom Wind abkehrten.
Voller Bedrängnis schüttelten sie ihre hellen, sonnigen kleinen Röckchen. Vielleicht machte es ihnen Freude; vielleicht machte es ihnen Freude, so gezaust zu werden.
Constance setzte sich nieder, den Rücken gegen eine junge, schwanke Fichte gelehnt, die, elastisch und kraftvoll emporstrebend, seltsam belebt schien. Dies aufsteigende, lebendige Geschöpf, den Wipfel in der Sonne! Und sie sah, wie die Narzissen golden wurden unter einem plötzlichen Sonnenstrahl, der warm auf ihre Hände und ihren Schoß fiel. Sie fing sogar den leisen, teerigen Duft der Blüten auf. Und als sie so still und allein dasaß, war es, als gerate sie in den Strom ihres vorbestimmten Schicksals. Sie war mit einem Tau angebunden gewesen, hatte gerissen und gezerrt wie ein Boot an seiner Vertäuung; nun war sie frei und trieb dahin.
Der Sonnenschein wich einem jähen Kälteschauer; die jetzt beschatteten Narzissen tanzten schweigend. So würden sie den ganzen Tag tanzen und während der langen, kalten Nacht. So stark in ihrer Zartheit!
Sie stand auf, ein wenig steif, brach ein paar Narzissen und ging hinab. Es widerstrebte ihr, die Blumen abzupflücken, aber sie wollte nur ein paar mit sich nehmen. Sie würde nach Wragby zurückgehen müssen und zu seinen Mauern, und sie haßte es jetzt, besonders die dicken Mauern. Mauern! Immer Mauern! Aber man brauchte sie in diesem Wind.
Als sie heimkam, fragte Clifford sie:
«Wo warst du?»
«Im Wald, nur im Wald! Schau, sind die kleinen Narzissen nicht schön? Wenn man denkt, daß sie aus der Erde kommen!»
«Ebensosehr aus der Luft und dem Sonnenschein», erwiderte er.
«Aber geformt werden sie in der Erde», gab sie mit promptem Widerspruch zurück, der sie selber ein wenig überraschte.
Am nächsten Nachmittag ging sie wieder in den Wald. Sie folgte dem breiten Pfad, der im Bogen zwischen den Lärchen hinanstieg zu einer Quelle, die John’s Well genannt wurde. Es war kalt auf dieser Seite des Hügels, und im Dunkel der Lärchen wuchs keine Blume. Aber die eisige kleine Quelle sprang sanft aus ihrem winzigen Bett reiner, rötlichweißer Kiesel. Wie kalt und klar sie war, wie glitzernd! Der neue Heger hatte zweifellos frische Kiesel hingeschüttet. Sie hörte das leise Plätschern des Wassers, wenn die winzige Flut überquoll und hügelabwärts rieselte. Sogar im rauschenden Dröhnen des Lärchenwaldes, der seine stachelnde, blattlose, wölfische Dunkelheit über den Abhang breitete, hörte sie ein Klingeln wie von kleinen Wasserglocken.
Es war ein wenig finster hier, kalt und klamm. Doch die Quelle mußte viele hundert Jahre eine Trinkstätte gewesen sein. Jetzt nicht mehr. Ihre winzige Lichtung war feucht und kalt und düster.
Sie erhob sich und ging langsam heimwärts. Und als sie so dahinschritt, hörte sie fern zur Rechten leises Klopfen. Sie blieb stehen und lauschte. War es Hämmern oder war es ein Specht? Sicher waren es Hammerschläge.
Sie ging weiter und lauschte. Und plötzlich sah sie eine schmale Fährte sich zwischen jungen Fichten hinwinden, eine Fährte, die nirgendwo hinzuführen schien. Aber sie spürte, daß sie benutzt worden war. Unternehmungslustig schlug sie sie ein, ging zwischen den stämmigen jungen Fichten entlang, die bald dem alten Eichenwald wichen. Sie ging immer der Fährte nach, und das Hämmern kam näher im Schweigen des windigen Waldes – Bäume breiten Schweigen aus sogar im Windgestöhn.
Sie stieß auf eine verborgene kleine Lichtung und eine verborgene kleine Hütte, die aus rohen
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